„Einer der letzten noch lebenden NS-Verbrecher“. So die Standardwendung in den Zeitungen über John Demjanjuk, der heute von den USA an Deutschland ausgeliefert wurde. Es gibt viele Ungereimtheiten in seinem Lebenslauf. Ob er „Iwan der Schreckliche“ war, konnte etwa nie geklärt werden. Am Ende waren die Zweifel so groß, dass Israel ihn trotz eines Todesurteils wieder nach Amerika schickte.
Was allerdings über John Demjanjuk festeht, ist folgendes: Er war gebürtiger Ukrainer und kämpfte in der Roten Armee. Als russischer Soldat geriet er im Mai 1942 in deutsche Kriegsgefangenschaft. Was danach geschah, wird schon wieder unterschiedlich gedeutet. Nach der einen Ansicht ließ sich Demjanjuk von der SS anwerben, kriegte einen Dienstausweis und war fortan eine Art Angestellter im Tötungsbetrieb des Holocaust.
Demjanjuks Anwalt Ulrich Busch sieht das anders:
Laut Busch bestreitet sein Mandant, je in Sobibor gewesen zu sein. Doch selbst wenn das Gericht unterstelle, er sei dort gewesen, müsse Demjanjuk freigesprochen werden. Als gebürtiger Ukrainer wäre er in diesem Fall ein damals so genannter fremdländischer Wachmann gewesen. Für diese gelte aber ein Befehlsnotstand. „Entweder halfen sie mit oder sie wanderten in die Gaskammern. Wenn er am Ende doch da gewesen wäre, wäre er entschuldigt“, sagte Busch. (Focus)
Wie auch immer, dass ausgerechnet ein Ex-Rotarmist und Kriegsgefangener als „letzter lebender NS-Verbrecher“ den Kopf hinhalten muss, ist schon eine Ironie der Geschichte – wenn man an die zahlreichen KZ-Schergen deutscher Herkunft denkt, die unbehelligt im Nachkriegsdeutschland lebten oder hier gar nach wie vor ihren Lebensabend verbringen.