Fest steht, dass ein sechs Monate alter Säugling in Göttingen im Januar gewaltsam zu Tode kam. Das Baby soll etliche Knochenbrüche erlitten haben, auch im Kopfbereich. Auch wenn naheliegt, dass entweder der Vater, die Mutter oder beide für die Verletzungen verantwortlich sind, sind die Eltern bislang nicht wegen Totschlagsverdachts in Untersuchungshaft genommen worden.
Wie kann das sein?
Die Antwort ist nicht sonderlich kompliziert. Die Eltern haben als Beschuldigte das Recht, sich nicht zur Sache zu äußern. Davon machen sie, so wird berichtet, Gebrauch. Da niemand dabei gewesen sein dürfte, ist es für die Ermittler mangels konkreter Anhaltspunkte logischerweise sehr schwer, den möglichen Tatbeitrag jedes Elternteils zu klären.
Sicherlich eine traurige, schwer zu ertragende Konstellation. Aber auch in dieser Situation gibt es dann aber keine Sippenhaft. Es darf sie auch nicht geben. Vielmehr gilt die Unschuldsvermutung, worauf die Göttinger Staatsanwaltschaft gegenüber den Medien zu Recht hinweist. Die Ermittler müssen also im Zweifel zu Gunsten der Beschuldigten davon ausgehen, dass entweder der Vater (30 Jahre alt) oder die Mutter (22 Jahre alt) jeweils alleine für den Tod des Babys verantwortlich ist.
Das kann am Ende darauf hinauslaufen, dass niemand für den Tod des Kindes zur Rechenschaft gezogen wird. Allerdings setzen die Ermittler jetzt erst mal auf ein rechtsmedizinisches Gutachten, das wohl noch nicht fertig ist.
Abseits von der Tragödie zeigt der Fall, wie wirkmächtig Beschuldigtenrechte im Einzelfall sein können. Man muss als Betroffener halt nur von diesen Rechten Gebrauch machen, wenn man es denn möchte. Dass die Eltern genau dies tun, mag moralisch fragwürdig sein. Juristisch vorwerfen kann man es ihnen aber nicht, denn die Qualität des Rechtsstaats erprobt sich halt an so krassen Fällen.