Momentan wird lautstark gegen die Briten gepoltert, weil die nicht umgehend mit der Austrittserklärung aus der EU rüberkommen wollen. Premier David Cameron will den Brexit wohl seinem Nachfolger überlassen, der aber frühestens im Oktober benannt wird.
Alles nur eine perfide Verzögerungstaktik, um die Zwei-Jahres-Frist für einen geordneten Ausstieg aus der EU gar nicht in Lauf zu setzen? Bei genauer juristischer Betrachtung dürften die Forderungen nach einem schnell formulierten Austrittsbrief der Briten jedenfalls wenig Substanz haben. Denn Art. 50 des EU-Vertrages schreibt folgendes Prozedere vor:
Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.
Notwendig ist also ein Beschluss, der im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorschriften des austrittswilligen Landes gefasst wurde. Eine Volksbefragung hat in Großbritannien aber keine unmittelbare bindende Wirkung. Darauf weist der Bielefelder Professor Franz C. Mayer im Verfassungsblog hin. Ohne Parlamentsbeschluss in London, der wohl erforderlichen Beteiligung der Regionalparlamente und einem ordentlichen Ratifzierungsprozess hätte ein Austrittsbrief wohl kaum Hand und Fuß. Das Verfahren muss also nach britischem Verfahren laufen. Premier Cameron ist allerdings politisch schon mal insoweit wortbrüchig, als er für den Fall eines Ja zum Brexit ein schnelles Parlamentsvotum angekündigt hatte.
Ob und inwieweit die Zwei-Jahres-Frist für die Abwicklung des Austrittswunsches anderweitig beginnen kann, dürfte von der Auslegung der Austrittsklausel abhängen. Diese ist, wenig überraschend, eher schwammig formuliert. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Post von Franz C. Mayer, der die wichtigsten Möglichkeiten durchspielt.