Ein heikles Thema wird in den nächsten Tagen das Landgericht München beschäftigen. In einem Strafprozess geht es mittelbar auch um die Frage, ob eine Zeugin vor Gericht ihr Gesicht zeigen muss. Die Frau muslimischen Glaubens trug bei ihrer ersten Zeugenaussage vor dem Amtsgericht München ein Gewand namens Naqib, das nur einen dünnen Sehschlitz für die Augen freilässt. Außerdem hüllte sie sich in einen langen Mantel und trug Lederhandschuhe, heißt es etwa in diesem Bericht.
Die Strafprozessordnung selbst enthält keine detaillierten Regeln, wie sich Zeugen vor Gericht präsentieren dürfen. Die Grenze ist die sogenannte Ungebühr, die in § 178 GVG eher allgemein geregelt ist. Es gibt Dutzende Entscheidungen über korrekte und falsche Bekleidung im Zeugenstand. Klar ist jedenfalls, dass sich die Zeiten ändern. So darf die Justiz nicht mehr übertriebene Anforderungen an Zeugen stellen. Freizeitkleidung, Berufskleidung, kurze Hosen und bauchfreie Shirts verletzen heute nicht mehr die Würde des Gerichts, so lässt sich die aktuelle Rechtsprechung zusammenfassen.
Nach wie vor kann ein Richter aber verlangen, dass Schiebermützen, Sportkäppis oder Hoodies während der Aussage nicht den Kopf des Zeugen zieren. Schwieriger wird es aber, wenn die Kopfbekleidung religiös motiviert ist. Im Fall einer Muslima hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass diese nicht wegen ihres Kopftuches aus dem Saal gewiesen werden durfte. Allerdings war die Frau nur Zuschauerin.
Dieser Entscheidung des Verfassungsgerichts lässt sich aber auch entnehmen, dass Betroffene trotz ihrer Kleidung zumindest „identifizierbar“ sein müssen. Gerade bei Zeugen dürfte das noch eine größere Rolle spielen als bei Zuschauern. Immerhin gibt es ja für das Gericht über die Frage der „Würde“ auch noch einen sachlichen Grund, das Gesicht der Zeugin sehen zu wollen. Nämlich, um ihre Glaubwürdigkeit prüfen zu können. Dieses Interesse haben natürlich auch regelmäßig der Angeklagte und sein Verteidiger.
Es wird deshalb interessant, wie das Landgericht München mit dem Fall umgeht. Verhandelt werden soll die Sache am 17. März.