Die Staatsanwaltschaft Hannover wird heute Anklage gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy erheben. Vorgeworfen wird Edathy in der Anklageschrift der Besitz kinderpornografischer Bilder und Videos, berichtet die Deutsche Presseagentur.
Laut dem Bericht sollen Links zu Internetseiten Edathy überführen, welche Ermittler in einer Sicherheitskopie von Edathys Dienst-Laptop gefunden haben wollen. Edathy selbst hatte das Gerät im Februar 2014 als gestohlen gemeldet.
Wenn die Nachricht zutrifft, hätte man bei Edathy selbst also nicht unmittelbar strafbare Inhalte gefunden. Die Beweisführung wird für die Anklagebehörde deshalb mit Unwägbarkeiten behaftet sein. Die wichtigsten:
1. Links als solche sind nicht strafbar, auch wenn sie zu kinderpornografischen Seiten gehen. Wenn sich im System eines Computers also lediglich Links finden, sind diese allenfalls ein Indiz dafür, dass der Beschuldigte die Seiten aufgerufen hat. Das wäre dann im einzelnen zu belegen, auch, dass dies vorsätzlich geschah – und zwar durch Edathy selbst. Außerdem müsste vorab natürlich genau geklärt werden, welche Inhalte zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich hinter dem Link stecken.
Das kann gelingen, muss aber nicht. Nach meiner Erfahrung erheben Staatsanwälte in der Regel nur eine Anklage, wenn sich tatsächlich kinderpornografische Darstellungen im Besitz des Beschuldigten finden. Ob sich tatsächlich auch genau die Dateien finden, die Anlass für die Ermittlungen waren, spielt dabei allerdings keine Rolle.
2. Das Strafgesetzbuch stellt an der untersten Schwelle der Strafbarkeit den Versuch unter Strafe, sich den Besitz kinderpornografischer Schriften zu verschaffen. Das ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht. Wie allerdings der Begriff des „Besitzes“ zu verstehen ist, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt.
Es gibt Urteile, die schon vom Besitz ausgehen, wenn strafbare Inhalte am Computer nur betrachtet werden. Begründet wird der nun mal vom Gesetz geforderte „Besitz“ dann meist mit dem Argument, die Dateien würden beim Betrachten ja immerhin im Arbeitsspeicher des Geräts zwischengespeichert. Das soll dann Unterschied ausmachen, etwa zu dem Fall, dass jemand in der Wohnung eines Dritten dessen kinderpornografische Schriften betrachtet. In diesem Fall läge weder Besitz noch Besitzverschaffungswille vor. Mit der Folge, dass das bloße Betrachten in dieser Konstellation straflos bleibt.
Die sehr weitgehende Interpretation des Besitzbegriffs wird von Juristen kritisiert, mitunter auch von Instanzgerichten. Sie verweisen darauf, dass Besitz als tatsächliche Verfügungsgewalt definiert ist und deshalb auch eine zeitliche Komponente gegeben sein muss. Also der Wille, über die Darstellungen länger als nur für das unmittelbare Betrachten nötig zu verfügen. Das wiederum würde dann voraussetzen, dass der Betrachter die Inhalte willentlich abspeichert.
3. Fraglich wird natürlich auch sein, ob sich Edathy nicht auf ein Verwertungsverbot berufen kann. Er macht ja geltend, seine Immunität als Bundestagsabgeordneter sei nicht beachtet worden. Außerdem stellt sich nach wie vor die Frage, ob die Durchsuchungen bei Edatyh überhaupt hätten stattfinden dürfen, da er Auslöser der Ermittlungen ja der Kauf nicht strafbarer Videos gewesen ist. Man kann also durchaus darüber nachdenken, ob überhaupt ein Anfangsverdacht vorgelegen hat.
Das Landgericht Hannover hat Edathys Beschwerde in diesem Punkt zwar zurückgewiesen. Das bedeutet aber nicht, dass Edathy diese Einwände nicht auch noch im ja noch anstehenden Strafprozess weiter erheben kann. Zunächst wird jetzt aber das für die Anklage zuständige Gericht prüfen müssen, ob es die Anklage überhaupt zulässt.