Im Prozess gegen Uli Hoeneß gewinnt das Wort Liveticker eine ganz neue Bedeutung. Im Minutentakt zählen die Medien derzeit Uli Hoeneß Steuerschulden hoch – und damit die mutmaßlichen Hinterziehungsdelikte.
Bis ich vorhin die Blitzmeldungen las, konnte ich mir kaum vorstellen, dass der Präsident des FC Bayern sich traut, nach seiner wohl reichlich konservativ gestalteten Selbstanzeige über 3,5 Millionen Euro zum Prozessauftakt erneut fragwürdige Zahlen zu liefern. Aber so scheint es zu sein.
Gestern sprach Hoeneß vermeintlich reumütig von 18,5 Millionen Euro Steuerschulden. Heute, keine 24 Stunden später, tritt dann tatsächlich eine – als sehr penibel beschriebene – Finanzbeamtin in den Zeugenstand und demontiert diese Zahl innerhalb von Minuten. Die Steuerfahnderin sagte, sie habe bei erster Durchsicht der erst vor wenigen Tagen vorgelegten Unterlagen 23,7 Millionen (Einschub: nun sind es schon 26 Millionen) Euro Steuerschulden errechnet. Wobei sie angemerkt haben soll, dass der Verbleib der einen oder anderen Million noch ungeklärt ist. Und dass es sich bei ihrer Berechnung um die Variante handelt, die am günstigsten für Hoeneß ist.
Wenn dann noch stimmt, dass Hoeneß noch ziemlich lange Zeit auf den Papieren gesessen hat und ihm gesetzte Fristen verstreichen ließ, wird es wohl noch enger für den Angeklagten, als es bislang schon war. Hoeneß demontiert seine Glaubwürdigkeit selbst und insbesondere auch das Restvertrauen in seine Ehrenhaftigkeit. Ich frage mich warum. Konnte ihm und seinen Anwälten nicht gestern schon klar sein, dass das Finanzamt seine Zahlen anders bewertet. Wäre es da im Zweifel nicht besser gewesen, gleich eine harte Zahl mit ausreichendem „Sicherheitszuschlag“ zu präsentieren? Oder die eigene Berechnung unter einen deutlichen Vorbehalt zu stellen?
Sollten Gericht und Staatsanwaltschaft ähnlich empfinden, könnte Hoeneß mit der absehbaren Vertagung des Prozesses ein ganz neues Risiko drohen.
Die Wieder-Invollzugsetzung seines Haftbefehls.