Manche Meldungen rauschen im Moment nur so durch, zumindest wenn es um den Fall Sebastian Edathy geht. Eine davon ist der Bericht von Spiegel online, wonach das Amtsgericht Hannover die Durchsuchung von Edathys früheren Diensträumen im Bundestag angeordnet hat. Das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert; keiner davon ist erfreulich.
Zunächst zeigt der weitere Durchsuchungsbeschluss, dass die Staatsanwaltschaft Hannover nach wie vor schmerzfrei ist und mit dem Kopf durch die Wand will. So wie man das schon aus dem Fall des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff kennt. Auch dort suchen die Staatsanwälte sogar noch im Gerichtssaal nach Strohhalmen, die eine Wendung des Verfahrens bringen könnten.
Dabei war bei Wulff schon von Anfang an klar, dass an der 700-Euro-Korruptionsanklage kaum was dran ist, sich jedenfalls nichts beweisen lässt. „Im Rausch der Ermittlungen“ betitelte die FAZ einen Bericht über den Kampfgeist der niedersächsischen Staatsanwälte. Das war nicht als Kompliment gemeint.
In der Causa Edathy haben sich die Ankläger aus derselben Behörde ebenfalls verrannt. Das zeigt sich gerade an den aktuellen Entwicklungen um Edathys Bundestagsbüro. Man muss sich vor Augen führen, dass sich der extrem vage Anfangsverdacht gegen Edathy bislang in keiner Weise erhärtet hat. Anlass für die Ermittlungen waren zwar Fotos nackter Kinder, die sich Edathy nach eigenen Angaben in Kanada bestellt hat. Nicht schön, aber nicht strafbar. Das mussten auch die Staatsanwälte in ihrer Pressekonferenz einräumen.
Dennoch bejahten sie nicht nur einen Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen. Sie sahen vielmehr auch die Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung gegeben, für die es mehr bedarf als den Anfangsverdacht in seiner simpelsten Form – nämlich der von Fakten losgelösten Spekulation mit der „kriminalistischen Erfahrung“. Das geschah zu Unrecht, wie ich schon in früheren Beiträgen begründet habe.
Nun sind wir aber einen Schritt weiter. Es hat eine Durchsuchung bei Edathy zu Hause stattgefunden. Beweise? Fehlanzeige.
Die Durchsuchung, so rechtswidrig sie auch war, hat somit eine beträchtliche Klarheit geschaffen. Nämlich dass Edathy keine strafbare Kinderpornografie besitzt. Oder, sollte er sie besessen haben, diese jedenfalls nicht mehr auffindbar sein wird.
Keine Beweise bleiben keine Beweise. Spätestens jetzt hätten die Ermittler die Akte schließen müssen. Stattdessen stochern sie ohne tatsächliche Anhaltspunkte weiter im Nebel und ignorieren alle Anforderungen, die das Gesetz ausdrücklich aufstellt.
Nach der Strafprozessordnung darf nur bei jemandem durchsucht werden, der als „Täter“ verdächtig ist. Wie jemand weiter als „Täter“ geführt werden kann, bei dem so eine wichtige Beweisermittlung wie die erste Durchsuchung sogar eine Entlastung gebracht hat, ist mir ein Rätsel.
Zumal die Begleitumstände nicht aus den Auge verloren werden dürfen. Zur Durchsuchung entschlossen sich die Ermittler erst Monate, nachdem kanadische Behörden die Ermittlungen gegen die Filmfirma öffentlich gemacht hat. Edathy konnte sich aus öffentlichen Quellen über die Ermittlungen informieren, so wie jeder andere auch. Und das ist ganz unabhängig von der Frage, ob er zusätzlich noch einen Tipp von dritter Seite erhielt.
Hier kommt eine zweite Voraussetzung ins Spiel, welche die Strafprozessordnung kennt, so wie sie auch in Niedersachsen gilt. Diese Voraussetzung ist es wert, ins Auge gefasst zu werden, zumal sie ziemlich unmissverständlich ist. Nach § 102 darf nur durchsucht werden,
wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.
Sowohl die Staatsanwälte als auch der Amtsrichter, der die erneute Durchsuchung abgenickt hat, ignorieren diese Anforderung. Ich warte nur noch auf den Zeitpunkt, wo zum letzten argumentativen Notanker gegriffen wird. Der läge darin zu behaupten, man müsse ja schon aus Fürsorge für den Beschuldigten an allen Wirkungsstätten Edathys einfallen, um auch entlastende Umstände zu ermitteln. Das wäre dann der absolute Tiefpunkt. Aber dem sind wir auch jetzt schon nah.