Vorne ein wenig über die bösen ausländischen Geheimdienste schimpfen, hinten rum aber genau dasselbe machen. So scheint das Motto der künftigen Großen Koalition zu lauten. Wie netzpolitik.org meldet, haben sich CDU und SPD darauf geeinigt, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen.
Praktisch bedeutet dies, dass wieder alle Verbindungsdaten auf Halde gelegt werden. Es wachsen also wieder Datenberge mit Informationen über jeden Bürger, und zwar unabhängig von jedem Anfangsverdacht. Und das, obwohl bis heute der Nachweis aussteht, dass diese Form der Totalüberwachung die Bekämpfung schwerer Kriminalität spürbar voranbringt. Darauf weist aktuell auch Rechtsanwalt Thomas Stadler hin.
Dagegen ist klar, was eine Vorratsdatenspeicherung anrichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung, welche die erste Vorratsdatenspeicherung kippte, die unausweichlichen negativen Auswirkungen staatlicher Daten-Kleptomanie in so einem Ausmaß herausgearbeitet. Freiheitsrechte stehen nur noch auf dem Papier, wenn wir schon vorauseilend bemüht sind, unsere unvermeidlichen Spuren möglichst gut aussehen zu lassen.
An diesem fürchterlichen „Chilling Effect“ ändert sich auch nichts, wenn die Speicherfristen eventuell von sechs auf drei Monate reduziert werden. Gleiches gilt für das ewige Lippenbekenntnis, die Daten dürften nur für den Schutz hochrangiger Rechtsgüter eingesetzt werden. Schon die kurze Geschichte der Vorratsdatenspeicherung hat gezeigt, wie kreativ Strafverfolger ihre Fälle aufbauschen, um an die Informationen zu kommen.
Selbst ein strenger Richtervorbehalt, von dem im möglichen Koalitionsvertrag die Rede sein soll, änderte daran nichts. Gerade dieser vermeintliche Schutz durch den unabhängigen und aufmerksamen Richter steht in vielen Fällen nur noch auf dem Papier. Tatsächlich ist der Richtervorbehalt, etwa bei Hausdurchsuchungen, eher zu einem Abnickritual degeneriert, weil Richter selbst beim besten Willen überhaupt nicht die Ressourcen haben, um alle mundgerecht vorformulierten Anträge der Staatsanwaltschaft kritisch zu prüfen.
Für das Quäntchen, um das die Strafverfolgung vielleicht effizienter werden könnte, opfern wir zwar nicht mehr die Juwelen unter den Freiheitsrechten. Aber jetzt tragen sie uns sogar noch die Truhe weg, in der diese aufbewahrt wurden. Markige Sprüche gegen die Spione aus England und Amerika werden nach Verabschiedung dieses Koalitionsvertrags noch hohler klingen, als es bisher schon der Fall war.
Im übrigen: Wer werden wohl die ersten sein, die sich ungeniert an den Datentöpfen bedienen?