Die im Jahr 2012 beschlagnahmte Kunstsammlung des Pensionärs Cornelius Gurlitt ist immens groß. Und mit Sicherheit exorbitant wertvoll. Doch handelten die Augsburger Staatsanwälte korrekt, als sie die Bilder einkassierten und wegschlossen? Michael Sontheimer versucht auf Spiegel online, abseits der Moral den juristischen Nebel zu lichten. Sehr gut kommen die Behörden dabei nicht weg.
Zunächst verbreiteten die bayerischen Strafverfolger eine simple Sicht der Dinge. Sie nannten Gurlitts Besitz schlicht Diebesgut, das seinen rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben werden müsse. Doch so einfach ist das alles nicht, wie sich laut Sontheimer nun langsam herausstellt.
So gebe es nur für ein Drittel der 1406 Bilder überhaupt ernsthaft leidlich konkrete Ansätze, dass diese sich illegal in Gurlitts Besitz befinden. Ein beträchtlicher Teil der Werke stamme von Gurlitts Urgroßvater, den Kunstmaler Louis Gurlitt. Auch bei den Werken, die möglicherweise von Gurlitts Vater, einen Kunsthändler, in der Nazizeit als „Entartete Kunst“ aufgekauft wurden, scheiden Rückgabeansprüche aus, weil dies seinerzeit aufgrund eines wirksamen Gesetzes erfolgte.
Aber auch für die möglichen Fälle von Raubkunst scheiden wohl Rückgabeansprüche aus. Der Grund ist simpel, so Sontheimer:
Seit dem Ablauf der Anmeldefrist Ende Juni 1993 gibt es keinerlei rechtliche Grundlage für Restitution mehr. Weder Museen noch Privatleute müssen noch Kunstwerke zurückgeben, die NS-Verfolgten gehörten.
Selbst deutsche Museen hätten seit Ablauf der gesetzlichen Fristen schon zahlreiche Anspruchsteller abblitzen lassen. Ein internationales Übereinkommen aus dem Jahr 1998 sehe lediglich vor, Raubkunst zu ermitteln und auf eine „faire Lösung“ zwischen den Beteiligten hinzuwirken; verbindliches Recht ist das aber nicht.
Offiziell ermitteln die Behörden ja erst mal nur wegen möglicher Steuervergehen gegen Gurlitt. Zwar darf der Staat bei einem ausreichenden Verdacht auch Vermögenswerte sichern. Das aber erst mal nur bis zur Höchstgrenze der möglichen Ersatzansprüche. Selbst wenn Cornelius Gurlitt möglicherweise Werke am Fiskus vorbei verkauft hat, dürfte die – noch zu beweisende – Steuerhinterziehung nur einen Bruchteil des Bilderwertes ausmachen. Dass Gurlitt nicht in Untersuchungshaft gewandert ist und die Behörden nach eigenen Angaben kein Interesse an seinem Aufenthaltsort haben, spricht nicht für einen sonderlich schweren Verdacht.
Deshalb stellt sich nun verstärkt die Frage: Was macht die Staatsanwaltschaft Augsburg da eigentlich? Mit welchem Recht behält sie nicht nur die Bilder ein, sondern stellt sie ins Internet und lässt es zu, dass die Person Cornelius Gurlitt bloßgestellt wird?
Immerhin scheinen die Ermittler nun doch erstmals kalte Füße zu bekommen. Sie rücken nämlich von ihrer zunächst geäußerten schneidigen Auffassung ab. Aktuell kündigt die Staatsanwaltschaft an, Gurlitt solle einen Großteil seiner Sammlung zurückerhalten, aber erst, sobald die Herkunft der Werke geklärt ist und keine Ansprüche Dritter gestellt werden.
Aber auch diese Ankündigung macht skeptisch. Normalerweise ist es noch immer so, dass ohne einen konkreten Verdacht auf Straftaten im Regelfall erst mal gar nichts beschlagnahmt werden kann. Auch gibt es keine Beweislastumkehr in die Richtung, dass der Besitzer von Gegenständen ihren rechtmäßigen Erwerb nachweisen muss.
Es wird also noch hoch her gehen um die unverhofft aufgetauchten Meisterwerke. In seiner Wohnung wird Cornelius Gurlitt die Bilder aber mit Sicherheit nicht mehr einfach so abstellen können. So wenig ihn vielleicht die Polizei beobachtet, so sicher haben schon ganz andere Leute ein Auge auf ihn geworfen.