Wer kinderpornografische Texte besitzt oder einem engen Kreis von Dritten zugänglich macht, begeht keine Straftat. Das hat der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung klargestellt. Das Gericht sprach einen Mann frei, der einem Bekannten einen Text zugeschickt hatte, in dem er detailliert sexuelle Handlungen an einem Kind schildert.
Der Bundesgerichtshof stellt sich damit gegen Juristen, die der Meinung sind, dass auch Texte “ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben” können, wie es das Gesetz ausdrücklich fordert.
Das ist nach Auffassung der Richter gerade nicht der Fall. Zwar könnten auch Texte einen gewissen Realitätsbezug haben, insbesondere wenn sie auf ein tatsächliches Geschehen Bezug nehmen. Tatsächlich hatte der Angeklagte einen Kindesmissbrauch geschildert, den er wohl tatsächlich begangen hat.
Allerdings entnimmt der Bundesgerichtshof der Gesetzesgeschichte, ein “tatsächliches Geschehen” meine, dass der Missbrauch durch Videofilm, Film oder Foto dokumentiert wird. Romane, Zeichnungen und Zeichentrickfilme seien dagegen von vornherein nicht gemeint gewesen. Deren Besitz trage nämlich nicht dazu bei, dass Kinder als “Darsteller” bei pornografischen Aufnahmen missbraucht werden.
Auch mit dem Tatbestand des “wirklichkeitsnahen” Geschehens sei nicht beabsichtigt gewesen, Texte zu kriminalisieren. Die Vorschrift sei lediglich so gefasst worden, um Beweisschwierigkeiten bei Kinderpornografie auszuräumen, die möglicherweise virtuell entstanden ist.
Ausdrücklich weist das Gericht darauf hin, es sei keine klare Abgrenzung möglich, wann ein Text ein Geschehen “wirklichkeitsnah” wiedergibt. Es bedürfe eines “rechtlich kaum fassbaren Gesamteindrucks”, der objektiv wohl kaum zu erzielen ist.
Damit müssen Strafverfolger künftig keine Texte mehr studieren um festzustellen, ob diese Kinderpornografie enthalten. Denn selbst wenn das der Fall ist, fehlt es laut Bundesgerichtshof jedenfalls an einem "tatsächlichen” oder “wirklichkeitsnahen” Geschehen.
Die Einschränkung gilt allerdings nur für den Besitz oder die Besitzverschaffung an (einzelne) Dritte, also die Weitergabe in einem überschaubaren Kreis. Die Verbreitung von kinderpornografischen Texten bleibt weiter strafbar, wenn dies über Tauschbörsen oder Internetforen geschieht.
Erhebliche praktische Bedeutung kann die Entscheidung auch für den Bereich der Jugendpornografie haben. Da die Vorschriften ähnlich formuliert sind, werden Texte, die sexuelle Handlungen oder gar den Missbrauch 14- bis 17-jähriger schildern, künftig ebenfalls nicht verfolgt werden können (Beschluss vom 19. März 2013, Aktenzeichen 1 StR 8/13).