In den Niederlanden wird überlegt, einen “Entschlüsselungsbefehl” einzuführen. Auf dieser Grundlage hätten Behörden die Möglichkeit, die Herausgabe von Passwörtern zu erzwingen.
Ein juristisches Gutachten habe bereits grünes Licht gegeben, berichtet heise online. Der offenkundig mit einer Passwortpflicht verbundene Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip, sich nicht selbst belasten zu müssen, soll danach abgemildert werden. So sollen Passwörter zwar herausverlangt, aber nicht in Verfahren gegen Betroffene eingesetzt werden dürfen.
Auslöser des Gutachtens soll die beliebte Software Truecrypt sein. Mit Truecrypt kann jeder Computernutzer seine Daten ohne großen Aufwand wirksam verschlüsseln. Nur bei schlechten Passwörtern oder im Einzelfall unter Aufwand enormster Rechnerzeit ist es derzeit für Strafverfolgern möglich, Datenträger Beschuldigter zu entschlüsseln.
Als juristischer Türöffner dient in den Niederlanden das Problem Kinderpornografie. Hinter dem Vorstoß steckt also letztlich dieselbe Debatte wie um Netzsperren: Was ist im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie notwendig, verhältnismäßig und fordert keinen unzumutbar hohen rechtsstaatlichen Preis?
Dass ein Entschlüsselungsbefehl weit über das Ziel hinausschießt, zeigt schon die dürftige Rechtfertigung des vermeintlichen Anliegens. Wenn aufgefundene Daten nicht gegen den Betroffenen verwendet werden dürfen, bleibt nur die Hoffnung, über erzwungene Passwörter an die Hersteller von Kinderpornografie zu kommen.
Selbst wenn auf einem Rechner tatsächlich Kinderpornografie sein sollte, spricht nach meiner Erfahrung in solchen Fällen wenig bis gar nichts dafür, dass der Betroffene selbst Kinder missbraucht hat. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass auf den Datenträgern brauchbare Spuren gefunden werden, die auf die Hersteller der Missbrauchsbilder hindeuten.
Strafbare Kinderpornografie wird über viele Ecken verbreitet, zum Beispiel mit Tauschbörsen und Filehostern. Die Herkunft des Materials ist in diesem Geflecht kaum aufzuklären. Deshalb besteht auch kaum Hoffnung, dass die mögliche Spur von einer verschlüsselten Festplatte zu einem tatsächlichen Missbraucher führt.
Deshalb bleibt es dabei: Nicht alles, was möglich ist, darf umgesetzt werden. Auch wenn ein Entschlüsselungsbefehl keine unmittelbaren Folgen für den Betroffenen hätte, wäre es doch nur eine Frage der Zeit, bis Informationen, die vielleicht gar nichts mit dem Vorwurf zu tun haben, eben doch verwendet werden dürfen. Überdies wäre dann weiteren Begehrlichkeiten die Tür geöffnet. Vom Finanzamt bis zur Contentindustrie würden dann andere behaupten, auch in ihrem Fall müssten die Grundrechte des einzelnen hinter dem Aufklärungsinteresse zurückstehen.
Sogar der Staat muss gewisse Grenzen beachten. So lange jedenfalls, wie er den 99,99 Prozent der Bevölkerung, die absolut nichts mit Kinderpornografie am Hut haben, noch einen letzten Rest Freiheit zugestehen will.