Auch wenn im Prozess gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann einiges schief lief – mit seiner Akkreditierungspolitik für ausländische Medien hatte das Landgericht Mannheim den richtigen Riecher. Die Strafkammer garantierte ein festes Kontingent an Presseplätzen für ausländische Berichterstatter, vorrangig aus Kachelmanns Heimatland Schweiz. So wurde von Anfang an jeder Eindruck vermieden, dass bestimmte Medien bevorzugt beziehungsweise nicht erwünscht sind.
Daran hätte sich das Oberlandesgericht München, das nun den NSU-Prozess zu führen hat, besser ein Beispiel genommen. Denn seine vermeintlich alternativlose und entsprechend aggressiv verteidigte Akkreditierungspolitik des gnadenlosen “First come, first serve” hatte nun vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand. Das Verfassungsgericht verfügte heute per einstweiliger Anordnung, dass eine ausreichende Zahl von Reporterplätzen – mindestens drei – für ausländische Medien zusätzlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Konkret bedeutet dies, dass türkische Zeitungen zum Zug kommen dürften, denn die Mehrzahl der mutmaßlichen NSU-Opfer war türkischstämmig.
Das Gericht räumt zwar ein, dass die Frage nach der Platzvergabe in solchen Verfahren weitgehend ungeklärt ist. Es gebe zum Verfahren zahlreich Probleme, die rechtlich ungeklärt seien. Jedoch sehen die Verfassungsrichter eine klare Chance ausländischer Medien, letztlich vor Gericht zu gewinnen. Im Wege einer “Folgeabwägung” sei es deshalb zulässig und erforderlich, die Hauptsache durch eine einstweilige Verfügung faktisch vorwegzunehmen. Denn von einem nachträglichen Pressekontingent hätten die türkischen Medien nichts.
Wie das Gericht die mindestens drei zusätzlichen Plätze schafft, wollten die Verfassungsrichter nicht regeln. Sie betonen vielmehr, dass dem Gerichtsvorsitzenden ein weiter Spielraum zukommt, wie er ausländischen Medien Zugang gewährt. Die Mindestzahl von drei Reporterstühlen ist für das Oberlandesgericht München allerdings verbindlich.
Klar ist, dass es bei der Presseakkreditierung niemals umfassende Gerechtigkeit gibt. Mit seiner starren Haltung, nur nach dem Prioritätsprinzip zu entscheiden, hat das Oberlandesgericht München aber schlicht das Mindestmaß an Fingerspitzengefühl vermissen lassen. Dass sich die so selbstgewissen Richter in München nun schon vorab in Sachfragen verrennen, kann sich als schwere Hypothek erweisen. Noch vor dem Start so ernsthaft zu straucheln, ist jedenfalls eine Leistung.