Da werden viele Arbeitgeber, gerade auch der öffentlichen Hand, ihre Formulare anpassen müssen. Sie fragen nämlich immer wieder gern nach laufenden oder eingestellten Ermittlungsverfahren. Dies ist jedoch unzulässig, hat das Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden.
Der Kläger bewarb sich als Seiteneinsteiger im Sommer 2009 als Lehrer an
einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem
Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, und zu versichern, dass gegen ihn kein
Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig ist oder innerhalb der letzten drei Jahre
anhängig war.
Der Kläger unterschrieb den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen. Er wurde zum 15. September 2009 eingestellt. Ein anonymer Hinweis brachte ans Licht, dass gegen den Lehrer im fraglichen Zeitraum schon öfter ermittelt wurde – wenn auch ohne greifbares Ergebnis. Alle Verfahren wurden eingestellt.
Das Bundesarbeitsgericht hält schon die Frage nach früheren Ermittlungsverfahren für unzulässig. Aus dem Gesetz ergebe sich nämlich, dass nur eventuelle Vorstrafen, rechtskräftige Verurteilungen also, offenbart werden müssen. Und selbst diese nur unter bestimmten Voraussetzungen. Frage der Arbeitgeber dagegen sogar nach eingestellten oder laufenden Verfahren, verletze dies das Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung. Eine Ausnahme gelte nur, wenn die Frage aufgrund besonderer Vorschriften zulässig sei. Etwa bei besonders sicherheitsrelevanten Berufen, zu denen der des Lehrers aber nicht gehöre.
Der Lehrer durfte also falsche Angaben machen, ohne dass ihm dies später zur Last gelegt werden konnte.
Interessant ist der Fall natürlich auch für alle Stellenbewerber, gegen die aktuell noch ermittelt wird. Aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich eindeutig, dass auch nicht gefragt werden darf, ob gegen den Stellenbewerber aktuell ermittelt wird. Ist das nicht zulässig, wird sogar eine spätere Verurteilung kaum dazu führen können, dass der Arbeitgeber wegen der Vorstrafe kündigen kann.
Das Urteil kann also in verschiedener Hinsicht Bedeutung erlangen. Zum einen können längere Ermittlungen jetzt kaum noch dafür sorgen, dass ein Bewerber wegen der laufenden Verfahren keine Stelle mehr findet. Zum anderen muss sogar eine spätere Verurteilung kein Auflösungsgrund für das Arbeitsverhältnis sein, sofern das Verfahren schon älter ist und nichts mit der neuen Stelle zu tun hat.
Betroffenen kann man nur raten, die Frage nach Ermittlungsverfahren konsequent mit “nein” zu beantworten und dabei auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Als erstes verstößt nämlich der Arbeitgeber gegen geltendes Recht, wenn er überhaupt fragt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2012, Aktenzeichen 6 AZR 339/11