Das Bundesverfassungsgericht hat die Macht und die Möglichkeit, es kann und darf Beschwerden nicht annehmen – und muss ein solches Benehmen nicht einmal begründen. Diesmal hat es das doch getan.
Immerhin ging es um die Verfassungsbeschwerde von Eva Herman, der ehemaligen und umstrittenen Tagesschausprecherin. Die hatte ein angebliches Falschzitat im Hamburger Abendblatt aus der Welt und dafür eine finanzielle Entschädigung vom Verlag (der Axel Springer AG) haben wollen. Dieses Verlangen war vom Bundesgerichtshof – anders als zuvor beim Landgericht und dem Oberlandesgericht – letztinstanzlich abgewiesen worden. Deswegen ging Herman vors Bundesverfassungsgericht (BVerfG), um dort die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu rügen. Vergeblich.
Die 1. Kammer des Ersten Senats sieht Herman „nicht in ihren Grundrechten verletzt“ (1 BvR 2720/11). Die Kammer stellt vielmehr die Meinungsfreiheit (der Journalisten) in den Vordergrund. Eva Herman hatte im September 2007 ihr Buch mit dem Titel „Das Prinzip Arche Noah – Warum wir die Familie retten müssen“ vorgestellt.
In der Pressekonferenz sagte sie auch dies: „Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das – alles was wir an Werten hatten – es war ´ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle – aber es ist eben auch das, was gut war – das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben.“ Soweit das Zitat.
Dazu hieß es später im Hamburger Abendblatt: „In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende.“ Hermann sah das als „Falschzitat“ und sich ergo in ihren Rechten verletzt. Nein, meint nun das BVerfG, die Artikel-Passage sei „in ihrem Gesamtzusammenhang zu betrachten“ und stelle „sich dabei als Meinungsäußerung dar“. Der Artikel im Hamburger Abendblatt sei schließlich schon mit „Eine Ansichtssache“ überschrieben und insgesamt in einem süffisanten Ton geschrieben. Der Leser erkenne da, dass es sich um eine verkürzende und verschärfende Zusammenfassung der Buchvorstellung handele. Vor diesem Hintergrund, so das BVerfG, ist erstens das Recht der Beschwerdeführerin am eigenen Wort gewahrt. Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht hat aber, zweitens, hinter die Meinungsfreiheit des Zeitungsherausgebers zurückzutreten. Das Fazit: Die Beschwerdeführerin, der es nicht gelungen war, sich unmissverständlich auszudrücken, muss die streitgegenständliche Passage als zum „Meinungskampf“ gehörig hinnehmen. (pbd)