Gegen einen Pressebericht zu klagen, der noch gar nicht erschienen und noch nicht mal in Arbeit ist, erschien bislang als aussichtsloses Unterfangen. Da gar nicht klar sein kann, was genau berichtet wird, tun sich Gerichte seit jeher schwer mit vorbeugenden Unterlassungsansprüchen. Zu Recht, denn vorsorgliche Eingriffe riechen nach Zensur. Bewegung in die Sache bringt jetzt ausgerechnet ein seit Anfang an umstrittenes Fernsehformat: “Tatort Internet”. In der Sendung gaben sich volljährige Darstellerinnen als Kinder und Jugendliche aus, um mögliche Kindesmissbraucher vor laufender Kamera zu überführen.
Obwohl überhaupt keine Kinder involviert waren, ließ es sich die Staatsanwaltschaft München I nicht nehmen, zwei in der Sendung vorgeführte Männer wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern anzuklagen. Der zweite Mann sah mit Schrecken, wie eine Münchner Boulevardzeitung über den ersten Prozess berichtete: Der dortige Angeklagte wurde mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen benannt. Außerdem zeigte das Blatt ein verpixeltes Foto von ihm, das im Gericht aufgenommen war. Im Artikel selbst waren Wohnort, Beruf und Alter des Angeklagten erwähnt.
Das wollte der zweite Angeklagte nicht erleben. Deshalb erwirkte er eine einstweilige Verfügung gegen das Boulevardblatt, mit der das Landgericht München I der Redaktion verbot, ähnlich wie über das erste Verfahren zu berichten. Nachdem der Strafprozess zwischenzeitlich stattgefunden hatte, mussten die Gerichte jetzt nur noch über die Kosten des Verfahrens entscheiden.
Sowohl das Landgericht München I als auch das Oberlandesgericht München meinten, die Zeitung hätte den Prozess aller Voraussicht nach verloren. Deshalb habe sie die Kosten zu übernehmen. Das Oberlandesgericht München betont zwar, an die sogenannte “Erstbegehungsgefahr” seien hohe Anforderungen zu stellen. Diese seien aber erfüllt.
Durch den ersten Fall sei absehbar gewesen, wie die Zeitung auch über den zweiten Prozess berichten würde. Dabei habe sich das Blatt unzulässig verhalten, denn der erste Angeklagte sei zumindest für seinen Bekanntenkreis (und alle, die etwas online recherchieren können) identifizierbar gewesen. Wieso die Berichterstattung nun moderater hätte ausfallen können, habe die Zeitung im Prozess nicht überzeugend darlegen können.
Als Ausflüchte wertet das Oberlandesgericht die Behauptung der Zeitung, sie habe von dem zweiten Prozess gar nichts gewusst. Das Gericht verweist auf einen Bericht in der Süddeutschen Zeitung, in dem der anstehende Prozess erwähnt werde. Dass die Reporter der Boulevardzeitung andere Lokalblätter nicht lesen, wollten die Richter nicht glauben. Ebenso wenig, dass an dem Blatt die üblichen Terminshinweise des Amtsgerichts München einfach so vorüber gehen.
Eine identifizierende Berichterstattung habe also im Raum gestanden. Deshalb sei es wahrscheinlich, dass die einstweilige Verfügung Bestand gehabt hätte.
Künftig kann es also leichter möglich sein, auch einmal vor einem Pressebericht die Veröffentlichung bestimmter Tatsachen untersagen zu lassen. Dabei kann es helfen, wenn sich das verklagte Medium schon ähnlich gelagerte Fehltritte geleistet hat.