Ein komplettes Internetverbot als gerichtliche Weisung – darf es so was geben? Ich verteidige ja häufiger Mandanten, denen Sexualdelikte zur Last gelegt werden. Auch, wenn es um (online bezogene) Kinderpornografie geht. Bislang ist mir aber noch kein Gericht begegnet, das auf den Gedanken gekommen ist, dem Angeklagten nur dann Bewährung zu gewähren, wenn er einen bestimmten Zeitraum offline lebt. Allerdings scheint es so was tatsächlich zu geben.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat schon im Jahr 2010 die gerichtliche Weisung bestätigt, wonach ein Verurteilter vier Jahre jede Nutzung des Internets unterlassen muss und insbesondere keine Internet-Cafés betreten darf. Neulich hatte ich über einen Fahndungserfolg der Tuttlinger Polizei berichtet, die einen wegen Besitzes von Kinderpornografie verurteilten Mann in der City mit einem Smartphone erwischte. Nach der Polizeimeldung hatte er ebenfalls die Weisung, während seiner Bewährungszeit nicht online zu gehen.
Bei einem Termin an einem ostdeutschen Amtsgericht wurde ich heute auch erstmals mit so einer Idee konfrontiert. Normalerweise, erklärte der Staatsanwalt (nicht das Gericht), verlange er bei Bewährungsstrafen wegen des Besitzes von Kinderpornografie immer ein “zweijähriges totales Internetverbot, außerdem die freiwillige Herausgabe aller Computer und Smartphones des Angeklagten”. Das sei auch nichts anderes, als wenn ein Lkw-Fahrer besoffen erwischt wird. “Der ist dann halt den Führerschein los – auch wenn es ihm den Job kostet.”
Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit, bis der Staatsanwalt “ausnahmsweise” von der Idee Abstand nahm und sich, wie übrigens auch der Richter, ansonsten als Mensch mit Augenmaß erwies. Dennoch denke ich seitdem darüber nach, ob ein Internetverbot als Weisung im Rahmen der Bewährung tatsächlich vertretbar ist.
In welche Richtung man überlegen muss, verrät der maßgebliche Paragraf 56c Strafgesetzbuch. Darin heißt es zu den zulässigen Weisungen:
Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
Ich finde, das spricht für sich. Der Staatsanwalt war allerdings der Meinung, dass jemand, der an seinem Arbeitsplatz (oder sogar außerhalb der Arbeitszeiten) Mails schreiben oder online gehen muss, halt Pech hat. Dann müsse er halt kündigen – so wie der Führerscheinverlust wegen Alkohol einen Kraftfahrer regelmäßig arbeislos macht. Wir haben auch darüber gesprochen, wie etwa ein Selbständiger so ein Internetverbot bewerkstelligen könnte. Die weitaus meisten Freiberufler wären mit Sicherheit beruflich weg vom Fenster, wenn sie nicht online gehen können.
Dagegen mutet die Frage, ob ein Internetverbot heutzutage privat ebenfalls unzumutbar sein könnte, fast schon nebensächlich an.
Ich warte mit Interesse auf den Tag, an dem einem meiner Mandanten so eine Weisung gegeben wird. Kampflos würde ich sie nicht akzeptieren. Denn, ich wiederhole mich, schon das Gesetz selbst untersagt so ein weitgehendes Verbot.