Volksfeststimmung auf der Straße des 17. Juni. Großes Gedränge bei den Getränken. Musik aus der Konserve, Singen, Schunkeln und alles, was angetrunkene, gut gelaunte Menschen so machen. Party eben. Fußballfans.
Dann pötzlich ein lauter Knall. Ein Feuerwerkskörper explodiert in der Nähe eines behaarten, aber unbehosten Männerbeins. Das tut erst dem Bein, dann dessen Besitzer weh. Deswegen dreht sich er sich um und sieht eine Gruppe von Biertrinkern, 14 Mann, gelb-schwarze T-Shirts. Dortmunder. 13 davon haben einen Becher Bier in der Hand. Also kann es ja nur einer gewesen sein, der den Feuerwerkskörper geworfen hat.
Die zwei Polizeibeamten haben den Knall auch gehört; sie brachten noch einen Sanitäter mit, der sich um die Brandwunde und die versengten Haare an dem Männerbein kümmerte. Während dessen schilderte der Versengte Tat … und „Täter“. Die Beamten stellten ihn in der Nähe des Zapfhahns und anschließend seine Personalien fest.
Es wurde nicht viel geredet, aber der „Täter“, unser Mandant, erinnert sich noch genau daran, daß er deutlich mitgeteilt hat, er habe keinen Feuerwerkskörper geworfen. Außerdem sei er Nichtraucher und habe auch kein Feuer bei sich. Und überhaupt: Die Borussen da hinten haben alles gesehen …
Sechs Wochen später lag häßliches Altpapier bei unserem Mandanten im Briefkasten. Der Polizeipräsident schreibt:
Ihnen wird zur Last gelegt … bla … gefährliche Körperverletztung … bla … § 163a StPO … Gelegenheit zur Stellungnahme … bla .. Frist.
Der Mandant schreibt der Polizei, daß er es nicht war und seine Kumpels das auch bezeugen können. Damit war das eigentlich für ihn erledigt.
Weitere acht Wochen später bekommt unser Mandant erneut Post, die Zustellung der Anklage;eben wegen der gefährlichen Körperletzung. Mindestfreiheitsstrafe: 6 Monate. Beweismittel: „Ihre Einlassung“, das behaarte Bein, also dessen Besitzer, der Sani und die beiden Polizeibeamten.
Noch im Zwischenverfahren teilen wir dem Gericht die Namen der 13 Zeugen mit, die bestätigen werden, daß unser Mandant damit beschäftigt war, das Bier ranzuschaffen und es gerade verteilt hatte, als es knallte. Unsere Anträge wurden abgelehnt, die Anklage zugelassen und ein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Geladen waren die in der Anklageschrift genannten Zeugen. Die Kumpels nicht.
Unsere Nachfrage beim Gericht brachte die Information, daß die Kumpels nicht benötigt werden. Wir waren optimistisch.
Der Mandant wiederholte seine Einlassung, die er bei der Polizei abgegeben habe. Der Geschädigte wurde gehört, dann der Sani, die beiden Polizeibeamten … und dann wollte der Richter die Beweisaufnahme schließen. Er signalisierte, daß er eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten für „tat- und schuldangemessen“ halte; Bewährung sei aber kein Problem. Dem Kollegen, der die Verteidigung im Termin übernommen hatte, ist die Kinnlade auf die Tastatur gefallen.
Erst ein Beweisantrag, nach allen Regeln der Kunst schriftlich formuliert, brachte das Gericht dazu, die Verhandlung zu unterbrechen und die 13 Jungs als Zeugen zu laden. Die hatten natürlich richtig Spaß, eine Woche später freitags nach Berlin zu kommen, erst zum Gericht und dann auf die Piste, um den Freispruch gebührlich zu feiern.
Satz 2 des Richters bei der Urteilsverkündung lautete:
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landekasse.
Berlin finanziert die Sauferei von gelb-schwarzen Fußballfans. Unglaublich!
… findet der Aushilfsblogger.