Als Bundestagsabgeordneter gibt sich Hans-Christian Ströbele gern unkonventionell. Man denke nur an seine lobenswerte Angewohnheit, lieber mit dem Rad zu fahren als mit einer Limousine des Bundestages. Beinhart zeigt sich der Grüne allerdings, wenn er sich durch Veröffentlichungen falsch dargestellt fühlt. Zumindest kann man das aus einem aktuellen Fall schließen. Ströbele mahnt ein Lokalblog ab und fordert 775 Euro Euro Anwaltsgebühren, weil das Blog angeblich falsch über ihn berichtet hat.
Der Hintergrund: Ströbele war am 3. August mit seiner Frau im Weinheimer Waidsee schwimmen. Aber an einer Stelle, an der das eigentlich nicht erlaubt ist. Genau dort schossen jugendliche Mitglieder eines Angelvereins Futterkugeln ins Wasser. Eine dieser Kugeln soll die Ehefrau des Abgeordneten getroffen haben. Hiernach soll sich Ströbele aufgeregt, die Jungen angeschrien und die Tatwaffe, eine Art Kindersteinschleuder, “konfisziert” haben. Entschuldigungen der Kinder soll Ströbele zurückgewiesen, die Schlichtungsversuche von erwachsenen Anglern an Ort und Stelle abgewehrt haben.
Über die Geschichte berichtete das Heddesheim Blog vor einigen Tagen. Wegen keinem der gerade dargestellten Umstände hat Ströbele aber dem Blog nun einen Berliner Medienanwalt auf den Hals gesetzt. Man darf also zunächst davon ausgehen, dass Schwarzschwimmen und das wenig souveräne Auftreten von Ströbele richtig beschrieben sind.
Abgemahnt wird das Heddesheim Blog, weil es im Bericht hieß, Ströbele habe die Kinder angezeigt. Der Politiker legt nun Wert auf die Tatsache, nicht er, sondern seine Frau habe Strafanzeige erstattet. Durch die Behauptung, er habe Strafanzeige erstattet, fühlt er sich laut Heddesheim Blog in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Ströbele fordert eine Unterlassungserklärung und das Honorar seines Anwalts, immerhin 775 Euro.
So einfach, wie es Ströbele vielleicht gern hätte, stellt sich der Sachverhalt aber nicht dar. Das Heddesheim Blog betont, vor dem Bericht mit der Staatsanwaltschaft gesprochen zu heben. Die Behörde habe auf Anfrage erklärt, Ströbele habe Anzeige erstattet. Erst als der Autor heute noch mal fragte, wurde die Angabe berichtigt. Ströbele habe laut Akte keine Strafanzeige erstattet, sondern seine Frau. Ströbele sei bei der Anzeige nur dabei gewesen.
Das Heddesheim Blog ist also einer behördlichen Falschinformation aufgesessen. Allerdings gibt es genug Urteile, die sich genau mit diesem Fall beschäftigen. Danach darf die Presse zunächst mal behördlichen Informationen vertrauen, es sei denn, ein Fehler in der offiziellen Presseinformation drängt sich förmlich auf. Was hier nicht der Fall ist, zumal angesichts des unbeherrschten Verhaltens des prominenten Politikers. Das ist also schon mal ein Punkt, der juristisch eher für das abgemahnte Blog spricht.
Überdies wird man sich fragen müssen, was eine Strafanzeige überhaupt ist. Für eine Anzeige gibt es – im Gegensatz zum Strafantrag, den nur der Verletzte stellen kann – keine besondere Form. Strafanzeige ist also jeder Sachverhalt, den ein Bürger den Behörden (auch) mit dem Zweck mitteilt, dass diese Ermittlungen aufnehmen.
Wir waren nun alle nicht dabei, als das Ehepaar Ströbele am Tag nach dem Futterkugelbeschuss mit der Polizei sprach. Sofern sich Ströbele aber bis dahin nicht völlig abgeregt haben sollte und ebenfalls seine Sicht der Dinge schilderte (und womöglich klitzeklein zum Ausdruck gebracht hat, dass auch er die Jungs bestraft wissen will), wird man rein faktisch fragen können, ob das nicht möglicherweise auch eine Strafanzeige gewesen ist. Vielleicht hat Ströbele, wenn er politikeruntypisch nicht ganz schweigsam war, also eine Strafanzeige erstattet, obwohl ihm das vielleicht gar nicht bewusst war.
Gute Gründe also für das Heddesheim Blog, sich das weitere Vorgehen sorgfältig zu überlegen. Es besteht nämlich guter Anlass zu der Hoffnung, dass Ströbele nicht nur etwas hinter die Fassade hat blicken lassen. Das gar nicht so sehr, weil er sich vielleicht etwas gelassener hätte zeigen können. Sondern vor allem, weil ihn das Heddesheim Blog nach eigenen Angaben rechtzeitig um eine Stellungnahme gebeten hat. Es wäre Ströbele also ohne weiteres möglich gewesen zu erklären, dass er nach eigener Auffassung keine Strafanzeige erstattet hat.
Außerdem besteht sogar Anlass zur Hoffnung, dass der grüne Politiker am Ende des Tages juristisch das Nachsehen haben wird und seinen Anwalt aus eigener Tasche bezahlen muss. Dann kann er nicht nur schwarz schwimmen, sondern sich auch schwarz ärgern.