So schnell kann es gehen. Gestern habe ich noch theoretisch über die neuen Spielregeln berichtet, die der Bundesgerichtshof für Äußerungen im Internet aufgestellt hat. Heute erreichte mich in eigener Sache die erste Kostprobe, wie Beleidigte und solche, die sich dafür halten, das Urteil für einen einen schnellen und bequemen Löschungsanspruch funktionalisieren möchten.
Der law blog – Provider vollmar.net kriegte gestern folgende Mail wegen eines Leserkommentars:
Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund der Verbreitung einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung im
Internet und Ihrer Funktion als Hostprovider bitte ich um Entfernung
folgender Seite: https://www.lawblog.de/index.php/archives/2008…Dort finden Sie falsche Tatsachenbehauptungen wie "…, der
Inhaber von … hat bis zu 16 Semester European Bussiness School
hinter sich gebracht, da sollte man es besser wissen, oder….?"Es ist Ihre Aufgabe als Hostprovider den Blog Betreiber hierbei um
Stellungnahme zu bitten. Entsprechend dem Bundesgerichtsurteil bitte ich um Entfernung des Artikels: "Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständenangemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen."Mit freundlichen Grüssen
Netter Versuch. Der Absender übersieht allerdings, dass der Provider regelmäßig nur in Anspruch genommen werden kann, wenn der Blogbetreiber oder der Urheber der Äußerung nicht greifbar sind. Er muss sich also zunächst darum bemühen, mit denjenigen in Kontakt zu treten, die für die Äußerung direkt verantwortlich sind.
Vollmar.net hat ganz richtig reagiert und sich nicht unter Druck setzen lassen. Aus der Antwort:
Wir leiten Ihre Mail an unseren Kunden weiter. Dieser ist für Sie auch ohne Probleme direkt erreichbar, ein vollständiges Impressum ist vorhanden.
Ich habe dann als Blogbetreiber auch pflichtgemäß geantwortet:
… unterstellt, Sie sind die erwähnte Person, fehlt jede Angabe, warum der zitierte Satz ehrenrührig oder inhaltlich falsch sein soll. Bitte begründen Sie das. Sollten Sie auch andere Aussagen beanstanden, bitte ich um konkrete Angaben. Sollten Sie dies überzeugend darlegen, werde ich die betreffenden Passagen entfernen.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs sollte man also nicht so verstehen, als sei damit ein neuer Direktanspruch gegen Provider eingeführt worden. Auch wenn die schriftlichen Gründe noch nicht vorliegen, wird das sicherlich nicht im Urteil drin stehen. Es bringt also nichts, den Provider mit Schreiben zu überziehen, sofern der Blog- oder Forenbetreiber nicht anonym publiziert oder verschollen ist.
Ebenso wenig macht es übrigens Sinn, wegen einzelner Äußerungen pauschal die Löschung ganzer “Seiten” zu verlangen. Selbst wenn eine Aussage beanstandungswürdig ist, muss deshalb nicht der ganze Beitrag samt Kommentaren gelöscht werden. Oder gleich das ganze Blog, was auch gerne verlangt wird.
Ich habe auch keine Probleme damit, wenn Dritte Äußerungen im law blog beanstanden. Allerdings erwarte ich dann aber auch, dass konkret gesagt wird, um was es geht und was daran falsch bzw. beleidigend sein soll. Schwammige Aufforderungen provozieren nur die Bitte, doch mal Butter bei die Fische zu tun.