Der Bundesgerichtshof hat heute die Voraussetzungen konkretisiert, unter denen ein Provider für Äußerungen haftet, die seine Kunden oder Dritte auf Blogs oder in Foren machen. Ausgangspunkt war eine Klage gegen Googles Blogdienst. Der Betroffene hatte sich durch Äußerungen verletzt gefühlt, die er auf einem bei Google gehosteten Blog fand.
Vor den Hamburger Gerichten hatte Google verloren. Dort sah man einen klaren Unterlassungsanspruch gegen den Provider. Jedoch hat man es sich in Hamburg möglicherweise zu leicht gemacht, denn der Bundesgerichtshof hob die Urteile auf und verlangt eine neue Prüfung des Sachverhalts.
Was hierbei zu beachten ist, führt der Bundesgerichtshof detailliert auf:
Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann.
Damit dürfte die unmittelbare Haftung sich zunächst auf klare Sachverhalte beschränken, also offenkundige Beleidigungen oder eindeutig unwahre Tatsachenbehauptungen.
Außerdem gibt es künftig ein klares Prozedere, an das sich alle Beteiligten zu halten haben:
Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen.
Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt.
Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.
Bislang liegt nur die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vor. Daraus wird leider nicht ganz klar, ob sich die neuen Spielregeln auch auf die ohnehin klaren und eindeutigen Rechtsverstöße erstrecken. Oder ob der Provider bei eindeutigen, einfach zu erkennenden Rechtsverstößen nicht vielleicht sofort und von sich aus löschen muss.
Fest steht aber schon jetzt, dass der Provider bei unklaren Sachverhalten jedenfalls nicht mehr in eigener Regie und sofort, das heißt unter großem Zeitdruck, entscheiden muss, ob er einer Beanstandung nachkommt. Vielmehr hat er die Möglichkeit, den Blogbetreiber zu einer Stellungnahme aufzufordern. Für die Stellungnahme kann der Provider auch eine “angemessene Frist” einräumen. Das dürften mindestens zwei, drei Tage sein. Liefert der Blogger nachvollziehbare Argumente für seinen Eintrag, muss diese wiederum der Beschwerdeführer entkräften und hierfür “Belege” präsentieren.
Der Bundesgerichtshof nimmt also die unmittelbar Beteiligten stärker in die Pflicht. Er zwingt sie, den Provider bei seiner Entscheidung zu unterstützen. Werden die erforderlichen Informationen nicht geliefert, guckt die schweigsame Seite halt in die Röhre. Im einzelnen ist das sicherlich diskussionsbedürftig. Es klingt aber zunächst mal wie ein Spielplan, der den wechselseitigen Interessen nach Kräften Rechnung trägt. Ob das Verfahren praxistauglich ist, wird sich zeigen.
Auch eine andere wichtige Frage hat der Bundesgerichtshof beantwortet. Ob nämlich deutsche Gerichte überhaupt für Provider zuständig sind, die wie Google im Ausland sitzen. Das haben die Karlsruher Richter bejaht. Ausländische Internetanbieter müssen damit rechnen, viel öfter als bisher in Deutschland verklagt zu werden.