Ermittlungsakten füllen mitunter Umzugskartons. Beweismittel wie Videos liegen ohnehin nur als Datei vor. Wer als Verteidiger mit seinem inhaftierten Mandanten die Unterlagen durchgehen will, steht vor ziemlichen Hürden. Er kann kistenweise Akten in den Knast schleppen (lassen). Und zu solch absurden Maßnahmen greifen wie Videos ausdrucken. Oder er nimmt einfach sein Notebook mit…
Erstaunlicherweise war es bis vor kurzem in Nordrhein-Westfalen wesentlich unproblematischer, zur Besprechung mit 50 Kilogramm Papier in der Justizvollzugsanstalt aufzulaufen als mit einem Laptop. Elektronische Geräte, noch dazu welche mit Einwahlmöglichkeit ins Internet, waren den Anstaltsleitungen ein Graus – und somit erst mal verboten.
Notebooks im Knast gingen allenfalls, wenn ein Richter dies im Einzelfall genehmigte. Das war immer mit riesigem Begründungaufwand verbunden, und oft genug wurden auch sachlich gerechtfertigte Anträge unter Hinweis auf die “Anstaltssicherheit” abgebügelt.
Das hat sich nun geändert. Ab sofort dürfen Verteidiger in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich ein Notebook mit in den Knast nehmen und es bei der Besprechung mit dem Mandanten nutzen. Rechtsgrundlage für diese Kehrtwende ist ein Erlass des Justizministers Thomas Kutschaty (4434 IV.172), der das Prozedere überraschend unbürokratisch gestaltet. Vielleicht liegt das daran, dass Kutschaty selbst Rechtsanwalt ist.
Der Anwalt muss beim Betreten des Gefängnisses lediglich ein Formular unterschreiben, in dem er versichert, auf seinem Computer seien “die für das Mandantengespräch erforderlichen Unterlagen eingespeichert”. Außerdem muss er sich einverstanden erklären, dass der Computer in der hauseigenen Anlage “auf Fremdkörper” durchleuchtet wird. Auf eigenes Risiko, natürlich.
Was ich wirklich gut finde, ist die pragmatische Lösung beim heikelsten Punkt. Die Justiz kann nämlich nicht mehr verlangen, dass der Computer nicht drahtlos online gehen kann, sei es über WLAN oder UMTS. Der Anwalt muss lediglich zusagen, dass er innerhalb der Anstalt keine Internetverbindung herstellen wird.
Damit ist natürlich ein gehöriger Vertrauensvorschuss für Anwälte verbunden. Ich kann nur hoffen, dass gewisse Verteidiger das Sprechzimmer nicht zum Internetcafé für ihre Mandanten umgestalten. Sonst könnte es mit den neu gewonnen Privilegien auch schnell wieder vorüber sein.