Es ging um angebliche Sex-Partys des früheren Formel-1-Chefs Max Mosley. Die britische Zeitung News of the World berichtete im Jahre 2008 darüber exzessiv. Unter anderem erzählte sie den Inhalt eines mehrstündigen Videos, das Mosley bei sexuellen Aktivitäten zeigt. Die Weltpresse griff die Geschichte auf und der Ruf des Sportfunktionärs war dauerhaft beschädigt.
Was nun schon einige Zeit zurückliegt, hätte um ein Haar Auswirkungen auf die europäische Pressefreiheit gehabt. Mosley hat nämlich nicht nur in England, Deutschland und anderen Ländern erfolgreich gegen Medien geklagt, sondern sich auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt. Redaktionen, fordert er, müssten Privatleute vor der Veröffentlichung brisanter Informationen benachrichtigen. Damit sollen die Betroffenen die Möglichkeit bekommen, im Vorfeld gegen den geplanten Bericht zu klagen.
Das Ganze nennt sich “pre-notification requirement”. Ohne eine derartige Vorschrift, so Mosley, seien die Menschenrechte all jener verletzt, die sich Presseberichte über ihr Privatleben gefallen lassen müssen. Der einmal eingetretene Schaden sei auch nicht mit Schmerzensgeld zu reparieren. Seine Anwälte stützten die Klage auf Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Vorschrift schützt das Privat- und Familienleben.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bekundet in seiner heute veröffentlichten Entscheidung durchaus Sympathie für Mosleys Sicht der Dinge. Die Richter erkennen an, dass dem Briten schwerwiegendes Unrecht widerfahren ist. Im Ergebnis wollen sie sich jedoch nicht zu einem pre-notification requirement durchringen.
Es gebe eine schier unübersehbare Zahl von möglichen Anwendungsfällen. Darunter eben auch jene, in denen ein Interesse an sofortiger Berichterstattung – im Gegensatz zum Fall Mosley- durchaus bejaht werden könne. Letztlich entscheidend für das Gericht ist aber die Sorge um einen “chilling effect”. Eine Pflicht zur Vorabbenachrichtigung beeinträchtige die Presse womöglich so stark, dass sie ihrer Funktion in einer demokratischen Gesellschaft nicht mehr nachkommen könne.
Ein pre-notfication requirement wird es also nicht geben. Jedoch stellt der Gerichtshof an mehreren Stellen klar, dass sensationsheischende, nicht durch ein öffentliches Interesse legitimierte Veröffentlichungen privater und intimer Details durchaus die Menschenrechte beeinträchtigen können. Die Entscheidung dürfte also auf jeden Fall demnächst gern von deutschen Pressekammern zitiert werden, wenn sie Verlage zu Unterlassung und Schadensersatz verurteilen.