Seit Monaten vergeht kaum eine Woche, in der die Polizei nicht irgendwo in der Republik zu einem Massengentest einlädt. Stets wird betont, die Teilnahme sei freiwillig – was sie nach geltender Rechtslage auch ist. Höchst vorsichtig werden für den Fall der Weigerung schon mal “Hausbesuche” angekündigt. Auf diese Hausbesuche können Betroffene mit einem freundlichen “Tschüss” reagieren und die Beamten vor der Haustüre stehen lassen. Auch das ist ihr gutes Recht.
Viele Ermittler sind mit der Rechtslage nicht glücklich. Wesentlich verlockender erschiene es ihnen, den gerasterten Bürger einfach zur DNA-Probe verpflichten zu können. Es war von daher auch nur eine Frage der Zeit, bis man einen Schritt weiter geht und den Unmut über die Rechtslage artikuliert. Ganz vorne marschiert seit Ende letzter Woche Gerd Hoppmann, Leiter der Krefelder Mordkommission.
Hoppmann sucht den Mörder einer 75-Jährigen. Seine Beamten vermuten, der Täter wohne in Krefeld und sei 18 bis 31 Jahre alt. Alleine das Melderegister von Krefeld zählt 26.000 Männer zwischen 18 und 31 Jahren. Offensichtlich ahnt der Leiter der Mordkommission, dass so ein grobes Raster selbst gutmütige Staatsbürger nachdenklich macht. Womöglich könnten sie, sofern persönlich betroffen, doch mal auf die “Freiwilligkeit” solcher Tests pochen. In der Tat, so heißt es in der Meldung, hätten sich das sogar schon einige getraut.
Um derartige Unbotmäßigkeit schon im Vorfeld zu brechen, rettet sich der Chefermittler in eine, wie ich meine, unwürdige und entlarvende Argumentation. Er sagt tatsächlich folgendes:
Wenn man auf den Rechtsstaat und unser Wort vertraut, dass diese Untersuchung nur für diesen Einzelfall benutzt wird, hätte nur der Täter einen Grund die Speichelprobe zu verweigern!
Da haben wir es. Wer etwas nicht macht, zu dem er nicht verpflichtet ist, kann eigentlich nur tatverdächtig sein. Oder, und das ist das Perfide der Argumentation, er steht durch seine Verweigerungshaltung zumindest moralisch nicht höher als der Täter selbst.
Ich kann nur hoffen, dass Hoppmann seine Beamten nicht instruiert hat, genau so bei Hausbesuchen zu argumentieren. Dann müsste man sich im konkreten Fall nämlich mal über versuchte Nötigung unterhalten.
Hoppmanns Statement ist keineswegs nur ein verbaler Ausrutscher. Er gibt nämlich offen zu, Verweigerer müssten damit rechnen, dass ihr Alibi gecheckt und “andere Überprüfungen” vorgenommen werden. Wer also von seinem Recht Gebrauch macht, macht sich allein hierdurch verdächtig.
Das stellt den Rechtsstaat ebenso auf den Kopf wie die Behauptung Hoppmanns, ins Raster geratene Personen bräuchten so was wie einen “Grund”, die Speichelprobe zu verweigern. Genau das ist eben nicht der Fall. Keiner muss sich dafür rechtfertigen, dass er der Polizei sein Erbgut nicht auf Zuruf anvertrauen will. Der Kommissar mutet den Bürgern zu, en passant ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu pulverisieren.
Dass sich so jemand wie Hoppmann im gleichen Satz dann noch auf den Rechtsstaat beruft, ist an Bigotterie kaum zu überbieten.