Vielleicht noch heute, möglicherweise morgen oder übermorgen. Sie wird aber diese Woche noch kommen: die neu gefasste, ausdrückliche Winterreifenpflicht. Der Bundesrat hat einer Änderung der Straßenverkehrsordnung zugestimmt, die jetzt noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden muss. Damit ist, so der Verkehrsminister, schnell zu rechnen.
Die Neuregelung war nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg im Juli notwendig geworden. Das Gericht hatte Bußgelder bei falscher Bereifung für verfassungswidrig erklärt; es hielt die Regelungen für zu schwammig. Der neue Paragraf soll dagegen klarstellen, dass es mit Sommerreifen bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte nicht getan ist.
Ob der neue Paragraf den Anforderungen der Gerichte genügt, wird sich zeigen.
Ein Angriffspunkt ist bei der neuen Regelung schon offensichtlich. Aus irgendeinem Grund versteift sich der Gesetzgeber darauf, M+S-Reifen zu verlangen. Zu den M+S-Reifen sollen laut der begleitenden Stellungnahme des Bundesrates aber auch Ganzjahresreifen zählen. Seltsam, denn so weit ich weiß tragen längst nicht alle Ganzjahresreifen auch tatsächlich das M+S-Symbol.
Überhaupt: M+S soll für „Matsch und Schnee“ stehen. Was das aber von einem Reifen abverlangt, ist nirgends verbindlich geregelt. Die Stiftung Warentest hat auf dem deutschen Markt reine Sommerreifen gefunden, die aber trotzdem ein M+S-Symbol haben. Die Pneus stammen von Billigherstellern. An den Karren fahren kann diesen Produzenten niemand, eben weil es keine technischen Mindeststandards für das Symbol gibt. Es kontrolliert auch niemand, ob ein Reifen zu recht als „M+S“ gelabelt ist. Wie auch, ohne Norm.
Es wird also interessant sein zu sehen, ob man wegen eines fehlenden M+S-Symbols tatsächlich ein Bußgeld zahlen muss. Immerhin ist es bei Sommerreifen in gutem Zustand sicher möglich zu argumentieren, dass der aufgezogene Reifen auch ohne M+S-Symbol bessere Fahreigenschaften hat als einer der erwähnten M+S-Reifen, die gar keine sind. Ob man es juristisch an einem Symbol festmachen kann, das letztlich nichts aussagt, bezweifle ich.
Hinzu kommt: Die Mindestprofiltiefe soll auch bei M+S-Reifen im Winter 1,6 Millimeter betragen. Der ADAC hat schon erklärt, dass Winterreifen mindestens 4 Milllimeter Profil haben müssen, um bei Winterwetter Fahrvorteile zu bieten. Wer also mit neuen Sommerreifen erwischt wird, kann auch auf deren hervorragenden Zustand hinweisen. Ob neue Sommerreifen gegenüber einem M+S-Reifen mit dem Mindestprofil dann wirklich so viel schlechter sind, ist eine berechtigte Frage. Je nach Einstellung wird ein Richter auch die passende Antwort darauf finden.
Die Probleme sind den Verantwortlichen sogar bewusst. Der Bundesverkehrsminister hat sich deshalb auch mit dem Hinweis beeilt, jetzt werde auf europäischer Ebene schnellstmöglich an einem Qualitätsstandard für das M+S-Symbol gearbeitet. Damit wird es aber vor 2012 nichts werden.
Was nichts anderes heißt, als dass erst mal munter weiter vor Gerichten über die Winterreifenpflicht gestritten wird. Ein erneutes Fiasko für den Gesetzgeber möchte ich dabei nicht ausschließen.