Skandalchirurg steht bald vor Gericht

Die Anklage gegen den ehemaligen Chefarzt der St. Antonius Klinik im rheinischen Wegberg dümpelt vor sich hin. Seit 7 Monaten schon soll sich der 52-jährige Dr. Arnold P. wegen dreifacher Körperverletzung mit Todesfolge, vierfacher fahrlässiger Tötung und einer schweren Körperverletzung verantworten. Dazu kommen 60 Fälle von Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung. Doch die Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach hat die Anklage noch immer nicht zugelassen, sie grübelt über ärztlichen Gutachten.

Die hatten P.s drei Verteidiger den Richtern eingebrockt. Als sie ihren Mandanten vor 14 Tagen aus dessen halbjähriger Untersuchungshaft nach entsprechender Genehmigung des Oberlandesgerichts Düsseldorf holten, diktierte dessen 4. Strafsenat denn auch gleich den Kollegen in Mönchengladbach: Mit den eingereichten Gegengutachten werde man sich „sehr eingehend auseinandersetzen müssen.“

So was kostet Zeit. Und lässt fast verblassen, was von Anfang 2006 bis zum Sommer 2007 geschehen sein soll. Der Anklage zufolge hat P. 17 Patienten im Alter zwischen 50 und 92 Jahren falsch behandelt. Dabei wollte er, so jedenfalls sieht er es selbst, niemanden böswillig verwunden. Im Gegenteil. Auf seiner Internetseite warb der Chirurg für operative Eingriffe mit nur kleinsten Verletzungen von Haut und Weichteilen.

P. ist nach eigenem Bekunden einer der Pioniere der so genannten „Schlüssellochchirurgie“. Bei der werden OP-Instrumente und eine Kamera durch einen winzigen Schnitt in den Körper eingeführt und dann vom Bildschirm aus gesteuert. Spektakulär: Schon 1991 entfernten P. und ein Kollege mit der OP-Methode eine Gallenblase, und dank drahtloser Direktübertragung sahen in München 800 Chirurgen auf einem Medizinerkongress zu.

Doch P., der sich zahlreicher Fernsehauftritte rühmt, wurde im Dezember 2006 anonym angezeigt. „Wir hatten mehr als einen Anfangsverdacht“, sagte Oberstaatsanwalt Lothar Gatten seinerzeit. „Da sind außergewöhnlich detaillierte und fundierte Angaben gemacht worden“. Die schwierigen Ermittlungen führten auch zu weitaus mehr geschädigten Patienten und noch zu einer Anklage gegen acht weitere Ärzte.

Ihnen werden Fehlbehandlungen zum Teil im Einzelfall, zum Teil auch in mehreren Fällen vorgeworfen. Die Bandbreite der Vorwürfe reicht von der einfachen
Körperverletzung bis zur Körperverletzung mit Todesfolge.

Dr. P. führte die Klinik womöglich nach Gutdünken. Nach früheren Behördenangaben sollen bei den betroffenen Patienten im Alter zwischen 50 und 92 Jahren völlig unnötige
Operationen vorgenommen worden sein. Zu Desinfektionen wurde ein nicht steriler
Zitronensaft verwendet. Damit wurde operierten Patienten der Bauchraum
ausgespült. Weil dramatisch in der Klinik gespart worden sei, habe es auch an normalen Desinfektionsmitteln gemangelt.

P. war Inhaber, Geschäftsführer und ärztlicher Direktor zugleich. Das Gesundheitsministerium hatte ihn zur Aufgabe bewegen wollen, ihm aber zugestanden, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Den hat er aus der Untersuchungshaft heraus verpflichtet. Damit konnte die Arbeit an der gebeutelten St.-Antonius-Klinik vorläufig weitergehen.

Ein Ende dagegen hat ein Strafverfahren genommen, in dem P. aus der U-Haft heraus vor vier Monaten Staatsanwälte in Mönchengladbach beschuldigt hatte. Die hätten sich einer Verfolgung Unschuldiger strafbar gemacht, als sie Informationen über P.s Vermögenswerte in der Schweiz weitereichten, sowohl an ihre Kollegen in Aachen als auch an die Steuerfahndung.

Das war berechtigt und korrekt, beschied die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf den Mediziner. Auch das Oberlandesgericht bestätigt diese Auffassung. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach habe im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse gehandelt. Wenn nicht noch mehr Störfeuer von P. kommt, könnte in etwa einem Monat die Hauptverhandlung beginnen.

Das OLG hob mittlerweile den Haftbeschluss mit der Begründung auf, P. drohe zwar eine mehrjährige, erhebliche Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Aber es bestehe keine Fluchtgefahr mehr. P. sei vor kurzem noch einmal Vater geworden. Er sei, so heißt es, sozialisiert. (pbd)