Ein aktueller „Preisknaller” des Mülheimer Discounters Plus löst offene Kritik bei Fachärzten aus: „Katastrophal” nennt Herzspezialist Hans-Joachim Trappe, was Plus mit den Worten „sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen im Kampf gegen den plötzlichen Herztod” anpreist – Defibrillatoren im Internet-Shop www.plus.de, einer davon zu nur 799,95 Euro „speziell für Zuhause und den privaten Gebrauch!”
Doch mit solchen mobilen Elektroschockgeräte, die lebensgefährliches Kammerflimmern unterbrechen können, ist eine „Therapie für zu Hause nicht zu empfehlen”. Das sagt Professor Trappe von der Ruhr-Universität Bochum und beruft sich auf eine weltweite Medizin-Studie. Unterstützung bekommt der Direktor der Medizinischen Klinik auch für Kardiologie vom Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands e.V. in Berlin. Deren Sprecher sieht nur ein „kommerzielles Interesse der Hersteller”. Jörg Beneker warnt sogar: „Ein Defibrillator gehört nicht in den Discounter, da gibt es keine Beratung”.
Beide Experten sind sich einig: Solch‘ ein Gerät gehört nicht in die Hand von Laien, es darf nur von ausgebildeten Personen benutzt werden. Alles andere sei gefährlich, sagt Notarzt Beneker. Sein Kollege Just Warnecke erklärt die Tücke: „Durch den Elektroschock kann sich ein Anwender auch selbst verletzten, wenn er Kontakt zum Patienten hat”. Und völlig unvorstellbar ist ihm der Gedanke, so ein Gerät aus dem Supermarkt liegt in einer Wohnung rum, in der es Kinder gibt.
Nicht von ungefähr werde jeder Sanitäter von einem Arzt geschult. Den Verkauf von Difibrillatoren im Supermarkt hält Notarzt Warnecke für „ein Geschäft mit der Angst”. Die Sprecherin der Einzelhandelskette beschwichtigt: „Die Defibrillatoren werden bei Bestellung nicht einfach mit der Post an den Kunden verschickt, sondern von speziell geschultem Personal persönlich überbracht.” Damit sei, so Nicole Dinter, eine ein- bis zweistündige Einweisung verbunden. Diese Behauptung allerdings hat sie erst auf Anfrage nachgeschoben. In der Werbung ist davon keine Rede. Im Gegenteil. Dort heißt es: „Haben Sie den Defibrillator zur Hand, brauchen Sie das Gerät nur einzuschalten. Sie werden mit einfachen Kommandos und Zeichen bis zur Defibrillation begleitet”.
Unterdessen lässt die Ärztekammer Nordrhein in Düsseldorf wissen, deren Rechtsabteilung sehe Verstöße gegen das Medizinprodukte- und das Heilmittelwerbegesetz. „Diese Elektroschockgeräte gegen Herzflimmern können in den Händen von Laien bei gesunden Menschen das Gegenteil der beabsichtigen Wirkung auslösen“, sagte Robert Schäfer, in der Ärztekammer zuständig für Medizinprodukte.
Auch die Staatsanwaltschaft Duisburg sieht in der „Plus“-Werbung mehrere Ordnungswidrigkeiten. Um deren Verfolgung kümmert sich derzeit das zuständige Ordnungsamt der Stadt Mülheim. (pbd)