Michael Kohl ist Lokalreporter. Er hat den CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis zur Online-Durchsuchung interviewt. Das hatte der Politiker zu sagen:
Herr Geis, befürworten Sie die Einführung einer Online-Durchsuchung durch die Polizei?
Angesichts der neuerlichen Ereignisse, bei denen Terroranschläge Gott sei Dank verhindert werden konnten, muss diese Möglichkeit unbedingt diskutiert werden. Die verhinderten Anschläge zeigen auch, dass jegliche Anschuldigungen gegen Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble, er verbreite mit seinen Plänen nur Hysterie und übertreibe, nicht richtig bzw. unverantwortlich sind. Wir müssen uns ganz bewusst vor Augen führen, dass auch Deutschland in höchstem Maße vom Terror bedroht ist und die Täter sogar aus der eigenen Bevölkerung kommen. Daher dürfen wir keine Möglichkeiten auslassen, die vermeintlichen Täter aufzufinden. Das Internet und die damit verbundenen technischen Mittel sind ganz klar eine Gefahrenquelle. Diesen technischen Entwicklungen müssen wir unsere Sicherheitsvorkehrungen anpassen. Wenn nötig und in letzter Instanz, auch mit Online-Durchsuchung. Im Übrigen soll die Online-Durchsuchung auch zur Bekämpfung von abscheulichen Verbrechen, wie Kinderpornographie und dergleichen dienen. Hier ist nämlich gerade das Internet die Hauptverbreitungs- und Gefahrenquelle.
Kritiker argumentieren, die Online-Durchsuchung verletze Artikel 13 des Grundgesetzes („Die Wohnung ist unverletzlich…“). Wie kommentieren Sie dies als Jurist?
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom vergangen Jahr lässt gewissen Raum für diese Einschätzung. Als Jurist ist die Frage schwer zu beantworten. Ein Gesetz muss im Einklang mit dem Grundgesetz und den technischen Möglichkeiten stehen. Der Staat ist verpflichtet, die Privatsphäre, das informationelle Selbstbestimmungsrecht und die Würde des einzelnen zu schützen. Ich möchte aber betonen, dass es sich bei der Online-Durchsuchung um gezielte Maßnahmen gegen einzelne hochprofessionelle Schwerstkriminelle handelt. 99 % aller Menschen in Deutschland werden davon nie betroffen sein. Das wird in der Diskussion oft vergessen und unnötige Angst geschürt. Eine verfassungskonforme Online-Durchsuchung wird auch nur auf richterliche Anordnung erfolgen. Zusätzlich muss auch einmal klipp und klar gesagt werden, dass bei einem solchen verdeckten Zugriff keinerlei Interesse besteht, Kenntnisnahme von privaten Dingen wie Krankheitsberichte, Tagebücher oder Liebesbriefe und dergleichen zu erlangen.
Auch Telefonüberwachungen wurden anfangs nur vereinzelt eingesetzt; mittlerweile ist die Nutzung inflationär angestiegen. Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass die Online-Durchsuchung missbraucht werden wird?
Richtig ist, dass die Telefonüberwachung stark ausgeweitet wurde. Wie ich aber bereits sagte, geht es bei der Online-Durchsuchung um gezielte Untersuchungen bei Schwerstkriminellen, zu der außerdem eine richterliche Anordnung notwendig ist. Dies sollte auch für die Telefonüberwachung gelten. Durch die stetig steigende Terrorgefahr wird man aber auch notgedrungen die Untersuchungen intensivieren müssen. Besonders, nachdem der „hausgemachte“ Terror leider auch bei uns angekommen ist. Zwei der vermeintlichen Attentäter sind Konvertiten. Befürchtungen, dass es künftig den„gläsernen Bürger“ geben wird, halte ich für abwegig. Es geht hier doch tatsächlich um einen engen Kreis von Tätern. Technisch muss natürlich das ganze System unbedingt vor Missbrauch geschützt sein. Sonst besteht die Gefahr von unkontrolliertem Missbrauch, den sich die Täter wiederum zu Nutzen machen könnten.
Der Chaos Computer Club sieht die Gefahr einer „Geheimpolizei wie in der DDR“, wenn Computer überwacht werden, ohne dass deren Besitzer davon in Kenntnis gesetzt werden. Ist der Rechtsstaat in Gefahr?
Der Rechtsstaat ist dadurch ganz sicher nicht in Gefahr und Szenarien von Polizeistaat nach Vorbild der DDR sind absurd. Die Frage, ob manche Passagen unseres Grundgesetztes der derzeitigen Bedrohungslage noch gerecht werden, ist diskutabel. Gerade aber weil unser Rechtsstaat gewahrt bleiben muss, dürfen wir denjenigen, die ihn aushöhlen wollen, keine Plattform bieten. Übertriebene Toleranz ist dabei nicht angebracht. Jeder, der in diesem Land lebt muss sich zu unserer Verfassung und unserem Grundgesetz bekennen. Wer das nicht tut und sich auf seine religiöse Herkunft beruft und dies mit unserem Verständnis von Religionsfreiheit begründet, kann hier nicht geduldet werden.
Können Sie in eignen Worten erklären, was ein „Trojaner“ ist? Glauben Sie, dass Sie persönlich ausreichende EDV-Kenntnisse haben, um über ein solches Thema im Bundestag abzustimmen?
Der „Bundestrojaner“ ist die Software „Remote Forensic Software“ die für die Online-Durchsuchung entwickelt wurde. Die Software soll unbemerkt auf die Computer der Verdächtigen „eingeschleust“ werden und so Daten an die Ermittler übertragen. Sicherlich reichen meine EDV-Kenntnisse nicht aus, um das System detailliert zu erklären. Ich bin schließlich kein Informatiker. Ich bin jedoch der Meinung, dass dieses Fachwissen nicht nötig ist, um über einer Notwendigkeit von Online-Durchsuchungen zuzustimmen. Wenn ich das theoretische Wissen habe, wozu und wie der „Bundestrojaner“ funktioniert, nämlich den Zugriff auf die im Computer gespeicherter Daten von Kriminellen und Terrorverdächtigen zu ermöglichen, so kann ich sicherlich auch darüber im Bundestag abstimmen.