Das Amtsgericht Offenburg hat der dort ansässigen Staatsanwaltschaft wegen „offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit“ untersagt, eine Provider-Anfrage zur Ermittlung der IP-Adresse eines mutmaßlichen Tauschbörsennutzers zu stellen. Das Anbieten von wenigen urheberrechtlich geschützten Musikstücken per Tauschbörsen-Client sei „der Bagatellkriminalität zuzuordnen“, erklärte das Gericht im entsprechenden Beschluss vom 20. Juli 2007 (Az. 4 Gs 442/07). Dies könnte einen Rückschlag für die deutsche Musikindustrie bedeuten, die im laufenden Jahr erklärtermaßen verschärft mit Massenstrafanzeigen gegen widerrechtliche Tauschbörsennutzung vorgeht.
Eine spannende Entscheidung. Leider gibt es genug Staatsanwaltschaften, die erst gar keinen gerichtlichen Beschluss einholen. Sie lassen einfach die Polizei beim Provider anfragen, der meist bereitwillig Auskunft gibt. Ist dies der Fall, stellt sich die Frage, ob die Weitergabe der Daten per Akteneinsicht an die „Geschädigten“ vielleicht zur Folge hat, dass die erlangten Informationen nicht verwertet werden dürfen. Diese Frage wäre für das Straf- und das Zivilverfahren getrennt zu beantworten.
Im Strafverfahren haben Bagatelluser ohnehin kaum etwas zu befürchten. Die Ermittlungen werden fast immer wegen geringer Schuld eingestellt. Deshalb sind, worauf das Amtsgericht Offenburg ja auch hinweist, die Ermittlungen von vornherein absehbar nutz- und sinnlos. Sie dienen in Wirklichkeit nur dazu, dass die „Geschädigten“ die User namentlich ermitteln und dann vor den Zivilgerichten auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen können.
Zu einem Verwertungsverbot im Zivilverfahren könnte man vielleicht kommen, indem man im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren einen Antrag auf Feststellung einreicht, dass die Akteneinsicht durch die „Geschädigten“ rechtswidrig war. Die Einsicht in die Akten ist nämlich zu versagen, wenn schutzwürdige Interessen des Beschuldigten entgegenstehen (§ 406e Absatz 2 Strafprozessordnung). Bei unzulässigen Ermittlungsmaßnahmen und sachfremden Zielen könnte man das bejahen.
Die Krux ist leider, dass der Beschuldigte ja erst von dem Verfahren erfährt, wenn der Provider die Auskunft erteilt hat. Er kann also meist nur nachträglich aktiv werden, wenn sein Name schon bekannt ist. Fast immer erhalten auch die „Geschädigten“ zuerst Akteneinsicht, da die Staatsanwaltschaften die meisten Verfahren ja ohnehin einstellen und den Beschuldigten noch nicht mal einen Bescheid zukommen lassen.
Ob ein Zivilgericht sich an die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit gebunden fühlte und zu einem Verwertungsverbot für die Informationen kommen würde? Das scheint mir eher unwahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es gibt zum Beispiel eine vergleichbare Konstellation bei heimlich mitgeschnittenen privaten Telefonaten. Und bei sogenannten Hörfallen, wo eine versteckte Person das Gespräch mithört und dann als Zeuge benannt wird. Die so gewonnenen Informationen sind im Zivilprozess oft unverwertbar.
Offene Fragen ohne Ende. Aber der Beschluss des Amtsgerichts Offenburg ist jedenfalls ein erster Ansatz, um die unsägliche Verfolgungsmaschinerie auszubremsen.