Kann ein Forenbetreiber abgemahnt werden, wenn einer der Besucher eine
geschützte Marke als Nicknamen benutzt? Eine Anwaltskanzlei versucht es
jedenfalls. Bericht und Abmahnung sind hier zu finden. heise online berichtet auch.
1. Eine Abmahnung des Forenbetreibers setzt dabei zunächst voraus, das der Forenbetreiber für die Benutzung der geschützten Marke als Nickname durch einen Forenbesucher (also einen Dritten, mit dem der Forenbetreiber nichts zu tun hat) überhaupt verantwortlich ist.
Das Problem: Der Forenbetreiber verwendet die Marke gar nicht selbst. Das ist der alte Irrtum, dass alles was auf einer Webseite steht, auch deren Betreiber zuzurechnen ist. Tatsächlich stellt der Forenbetreiber nur den „organisatorischen“ Rahmen für die Nutzung seines Forums durch die Forenbesucher bereit, genauso wie eBay nur den organisatorischen Rahmen für die Durchführung von Online-Auktionen der eBay-Nutzer bereitstellt.
Gleich ob Forenbetreiber oder eBay: Für Rechtsverletzungen der Nutzer der jeweiligen Plattform haften grundsätzlich zunächst die Nutzer selbst. Den Forenbetreiber trifft höchstens die (abgeschwächte) „Provider“haftung als sog. „Host-Provider“, weil er im Regelfall NICHT zu einer vorherigen Überprüfung von allem, was auf seiner Plattform passiert, verpflichtet ist.
Erst wenn er über eine Rechtsverletzung informiert wurde (etwa durch den Hinweis eines Besuchers des Forums oder weil ein Mitarbeiter des Betreibers zufällig darauf gestoßen ist), muss der Forenbetreiber den Hinweisen nachgehen und die Rechtsverletzung beseitigen. Tut der Forenbetreiber dies nicht, haftet er ebenso wie der verantwortliche Forenbesucher auf
Unterlassung und Schadensersatz und kann sich ggf. sogar strafrechtlich verantwortlich machen (etwa bei einer Beleidigung).
Ergebnis: Der Forenbetreiber muss Rechtsverletzungen der Forenbesucher nachgehen, wenn er von Ihnen konkrete Kenntnis hat. Eine (kostenpflichtige) Abmahnung kommt erst in Betracht, wenn der Forenbetreiber trotz Kenntnis nicht aktiv geworden ist. Der Forenbetreiber ist also in der Regel für eine Abmahnung der falsche Anspruchsgegner.
2. Selbst wenn ausnahmsweise der Forenbetreiber der richtige Anspruchsgegner sein sollte, stellt sich die entscheidende Frage, ob der Forenbesucher überhaupt mit seinem Nicknamen eine geschützte Marke verletzt hat. Ansonsten läuft jeder Anspruch ins Leere.
Hier sollte man zunächst überprüfen, um was für eine Marke es sich überhaupt handelt. Denn eine Marke muss stets für bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen eingetragen werden (sog. Klassen im Markenrecht).
Wenn klar ist, wofür die geschützte Marke steht, muss überprüft werden, ob die Verwendung als Nickname durch einen Forenbesucher überhaupt unter den Schutzbereich der Marke fällt (Beispiel: In einem Forum über sanfte Hautcremes tritt ein Forenbesucher unter „Nivea“ auf). Ist das nicht der Fall, kann man die Verwendung auch nicht verbieten.
Danach ist zu klären, ob die geschützte Marke im „geschäftlichen Verkehr“ verwendet wurde, wie es das Gesetz ausdrücklich verlangt. Längst nicht jede Verwendung eines Markennamens geschieht im geschäftlichen Verkehr. Forenbesucher treten meistens rein privat auf und haben keine geschäftlichen Interessen. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr (nicht zu Verwechseln mit gewerblichem Handeln, also dem Streben nach Gewinn) wird zwar recht
großzügig von der Rechtsprechung bejaht, setzt aber immer eine gewisse Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit im Tun voraus. Selbst bei regelmäßigen Diskussionsbeiträgen in (privaten) Foren wird die Geschäftsmäßigkeit aber kaum zu bejahen sein.
Also: Keine Ansprüche gegen den Forenbesucher als „Markenverwender“ und damit auch keine Ansprüche gegen den Forenbetreiber, selbst wenn er auf die vermeintliche Markennutzung aufmerksam gemacht wurde.
3. Bleibt abschließend noch die Frage, warum in der Abmahnung auch das
Wettbewerbsrecht (mit Hinweis auf die bis zum 07.07.2004 und damit nunmehr ungültige Fassung des UWG) angesprochen wurde. Denn das Markenrecht selbst gibt in § 14 Abs. 5 MarkenG Unterlassungsansprüche und in § 14 Abs. 6 MarkenG eigene Schadensersatzansprüche.
Zwar stellt die rechtswidrige Verwendung einer geschützten Marke im Wettbewerb auch eine unlautere Wettbewerbshandlung dar, aber der Gesamteindruck der Amahnung (Berechnung der Kosten, Höhe des Streitwerts, Bezugnahme auf § 1 UWG, Ansatz einer Einigungsgebühr) legt doch eher die Vermutung nahe, dass man nicht so genau wusste, was man tat …
Im Übrigen läßt die Abmahnung offen, woraus sich das erforderliche Wettbewerbsverhältnis zwischen Forenbetreiber (der die Marke nicht rechtswidrig verwendet hat) oder dem Forenbesucher (der noch nicht einmal im geschäftlichen Verkehr handelt) und dem Markeninhaber ergeben sollte.
(Danke an Sandra Wiegard, Marc Wickel, Wolfgang Gibisch und Frederic Schneider für den Hinweis)
Hinweis: überarbeiteter Text (danke an Sascha Kremer)
Update: Der Kollege Dr. Martin Bahr hat die Antwort auf die Abmahnung veröffentlicht.