IST JA NICHT UNSER GELD

Ein Sozialhilfeempfänger kann jederzeit ein Erbe ausschlagen. So jedenfalls die Auffassung des Landgerichts Aachen. Es sei nicht sittenwidrig, wenn ein Sozialhilfeempfänger auf das Erbe verzichte, auch wenn deswegen das Sozialamt keinen Zugriff auf das Vermögen erhalte.

Die Richter halten die Erbausschlagung für ein höchstpersönliches Recht jedes Erben. Dieser könne nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gezwungen werden, sich mit einem Erbe zu „belasten“.

Anders hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden (NJW 2001, 3484). Die dortigen Richter stellten die Erbausschlagung mit einem Unterhaltsverzicht gleich. Ein Unterhaltsverzicht ist aber meistens sittenwidrig, wenn er jemanden in die Sozialhilfe treibt.

Tut mir Leid, aber mir bleibt bei solchen Entscheidungen die Spucke weg. Ein Sozialhilfeempfänger kann also nach Gusto ein werthaltiges Erbe ausschlagen? Obwohl ihn die Annahme für einen gewissen Zeitraum in die Lage versetzen würde, seinen Lebensunterhalt zu decken?

Schon mal was von der Subsidiarität der Sozialhilfe gehört, liebe Richter? Schon mal einen Gedanken darauf verschwendet, dass es für einen Steuerzahler durchaus schlichtweg „unerträglich“ (= sittenwidrig) sein könnte, dass er für den Lebensunterhalt eines Dritten aufkommen muss, bloß weil dieser keine Lust zum Erben (!) hat?

Was ist denn das einzige denkbare Motiv des Erbberechtigten? Richtig, er kriegt das Erbe nicht, sondern in der Regel seine Geschwister. Die wiederum sind ihm nicht unterhaltspflichtig, so dass das Sozialamt bei ihnen nichts holen kann. Was die Geschwister mit dem Erbe machen, ist ihnen freigestellt. Sie können dem bedürftigen Bruder oder der armen Schwester ja dann mit Bargeld unter die Arme greifen. Natürlich, ohne dass es auffällt.

Aber solche Gedanken muss man sich als Richter wahrscheinlich nicht machen. Schließlich kommt das eigene Gehalt ja auch vom Steuerzahler.

(LG Aachen 7 T 99/04; veröffentlicht in NJW-RR 2005, 307)