Harte Worte gegen Vergewaltiger bringen Jugendknast

Nachdem sich auch Elon Musk auf X zu einem Hamburger Gerichtsurteil geäußert hat, wird die Entscheidung für weltweite Schlagzeilen sorgen. Eine 20-Jährige muss ein Wochenende in den Jugendknast. Ihr Vergehen: Die Frau hat wutentbrannt einen Vergewaltiger beschimpft und „bedroht“. Auslöser für ihre Empörung war die (Gruppen-)Vergewaltigung einer 14-Jährigen in Hamburg, von der sie in den Medien gelesen hat. Neun von 11 ursprünglich ermittelten Verdächtigen, die meisten selbst jugendlich, waren für die Taten angeklagt, von allen war Sperma bei dem Opfer gefunden worden. Die Tat sorgte allseits für Entsetzen. Ebenso der Umstand, dass alle bis auf einen Täter Bewährungsstrafen erhielten und möglicherweise keinen Tag Strafhaft absitzen müssen.

Bei der 20-Jährigen hält das Gericht dagegen Freiheitsentzug für erforderlich. Sie hatte in sozialen Medien die Kontaktdaten eines der Angeklagten gefunden. Sie schrieb ihm, er sei ein „ehrloses Vergewaltigerschwein“ und „ekelhafte Missgeburt“. Laut Anklage drohte sie dem Mann außerdem, er könne nirgendwo mehr hingehen, „ohne auf die Fresse zu kriegen“. „Schämst du dich nicht, wenn du in den Spiegel schaust?“, oder „Hoffen wir, dass du einfach weggesperrt wirst“, schrieb sie laut Hamburger Abendblatt zudem. Vor Gericht soll die Angeklagte ihr Verhalten bedauert haben. Sie haben ihrem Ärger freien Lauf gelassen, ohne lange nachzudenken.

Bedrohung und Beleidigung sollen die Straftatbestände lauten, wegen derer die Frau nun verurteilt wurde. Eine normale Beleidigung wird nur auf einen Strafantrag hin verfolgt. Also hat der verurteilte Vergewaltiger einen Strafantrag gestellt. Das ist sein gutes Recht. Allerdings ist es keineswegs so, dass aus einem Strafantrag auch eine Pflicht der Staatsanwaltschaft folgt, die Beleidigung auch tatsächlich anzuklagen. Vielmehr handelt es sich um sogenanntes Privatklagedelikt. Das heißt, im Normalfall soll der Verletzte selbst vors Strafgericht ziehen. Die Staatsanwaltschaft soll nur Anklage erheben, „wenn dies im öffentlichen Interesse liegt“. Oder wenn, zumindest gilt das zusätzlich im hier anwendbaren Jugendstrafrecht, dies für die „Erziehung“ des Verdächtigen erforderlich ist.

Laut den Berichten handelte es nicht um eine Privatklage, die der Vergewaltiger selbst erhoben hat. Die Staatsanwaltschaft muss sich in diesem Fall also fragen lassen, woher ein öffentliches Interesse kommen soll. Die Frau hat den Vergewaltiger selbst angeschrieben. Die Sache ging also nicht über den „Lebenskreis“ der Beteiligten hinaus. Genau für diesen Fall gehen die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren aber davon aus, dass gerade kein öffentliches Interesse vorliegt. Allerdings ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auch nicht revidierbar, auch nicht durch einen Richter. Nur das mediale Echo muss die Behörde nun aushalten.

Eine Bedrohung bei den zitierten Äußerungen zu bejahen, ist auch nicht unbedingt zwingend. Die Äußerung, der Betroffene könne nirgends mehr hingehen, ohne auf die Fresse zu kriegen, enthält eher eine Art Feststellung oder so was wie einen innigen Wunsch. Getragen ist das aber offensichtlich von Empörung. Überdies fehlen mir auch Umstände, welche die Ernsthaftigkeit der angeblichen Drohung durch die Frau oder Leute, die sie selbst in Marsch setzt, belegen. Nicht ernsthaftige Drohungen fallen aber nicht unter das Strafgesetz.

Wieso am Ende des Verfahrens dann Freiheitsentzug stehen musste, ist ohnehin die große Frage. Ein Jugendrichter hat viele Möglichkeiten unterhalb des Jugendarrestes. Es gibt die Einstellung, es gibt Ermahnungen, Arbeitsauflagen und und und. Wieso es nun dazu gekommen ist, bleibt mir rätselhaft. Vielleicht gibt es ja gewissen Gründe, in einigen Berichten werden andere Delikte der Frau angedeutet. Aber das traurige Signal an die Öffentlichkeit wird ohnehin bleiben: Es gibt eher „Knast“ für menschlich motivierte Kritik an laschen Urteilen als dass angemessen auf schwerste Straftaten reagiert wird.

Womöglich passt das Ganze aber in ein Konzept. Die Hamburger Polizei lässt jedenfalls mitteilen, dass noch gegen 140 andere Beschuldigte ermittelt wird, die sich möglicherweise zu „Hassrede“ über den traurigen Ausgangsfall hinreißen ließen. Man sieht also, die Behörden sind fokussiert. Wie gut, dass es an anderer Stelle ganz und gar nicht brennt.